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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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die Küche. Die Gespräche erstarben. Sie zerrte ihre Handtasche unwirsch von der Stuhllehne, was ihren Abgang verdarb. Dann stürmte sie aus der Wohnung, verfolgt von ratlosen Blicken.
    Mert stemmte sich vom Tisch hoch und ging ins Bett. Er fühlte sich vergiftet vom Rauch und dem Gespräch.
    Nach fünf Stunden traumlosem Schlaf wachte Mert auf und ging in die Küche. Stefan stand in Unterhose an der Kaffeemaschine und füllte den Filter auf. Sein Bauch ragte über den Bund, er sah wächsern aus. Er schlief wenig und ging nur noch selten zum Training. Zu viel Arbeit, zu viele Verabredungen.
    Mert setzte sich, und Stefan stellte ihm ohne Aufforderung einen Kaffee hin.
    »Was hast du Claire eigentlich gesagt, dass sie so beleidigt abgehauen ist?«, fragte Stefan.
    »Sie hat mich gefragt, ob sie boxen lernen kann.«
    »Und dann hast du sie beleidigt?«
    »Hab ich nicht.«
    »Du musst sie doch beleidigt haben, so wie die hier rausgestürmt ist.«
    »Ich hab ihr nur erklärt, dass ihre Voraussetzungen nicht optimal sind.«
    Stefan nahm Käse, Wurst, Butter und geschnittenes Schwarz brot aus dem Kühlschrank und stapelte alles auf dem Küchentisch.
    »Das kannst du nicht machen, Mert. Sie ist eine gute Bekannte.«
    »Das heißt?«
    »Sie hat Geld.«
    »Tut mir leid, wenn ich dir ein Geschäft verdorben hab.«
    Stefan schob sich auf die Küchenbank, ohne Mert in die Augen zu sehen. »Nicht so schlimm. Selbst wenn die tödlich beleidigt ist, ruft sie wieder an, wenn sie was braucht.«
    »Dann ist es ja auch egal.«
    »Ganz egal auch wieder nicht. Die kauft oft und viel.«
    Mert kaute auf dem Schwarzbrot herum und spülte die Brösel mit Kaffee hinunter. »Was machst du eigentlich, wenn dich jemand verpfeift?«
    »Das Gute an dem Geschäft ist, dass alle mit drinhängen. Da verpfeift mich niemand. Solange ich nicht anfange, im großen Stil zu dealen, bin ich auf der sicheren Seite.«
    »Vielleicht solltest du selbst die Finger davon lassen.«
    »Geht nicht. Das ist wie bei einem guten Wirt, man muss auch mal mit den Gästen saufen.«
    »Du siehst irgendwie fertig aus.«
    »Für dich reicht es noch!«, sagte Stefan, aber er wusste selbst, dass es nur ein Reflex war. Etwas, das der Ältere dem Jüngeren sagte. Es würde für kaum jemanden mehr reichen, und am wenigsten für Mert.
    Stefan dachte noch wie ein Boxer, aber sein Körper war nicht mehr in der Lage, die Gedanken umzusetzen. Statt Stärke hatte Stefan eine neue Grundlage für sein Selbstbewusstsein entdeckt: Geld.
    Der Sicherheitsdienst lief gut, das andere noch besser.
    Stefan kaufte sich einen BMW X5 mit Goldmetallic-Lackierung. Er zahlte dem Händler Handgeld, damit er einen der ersten ausgelieferten Wagen bekam. Während Merts Zimmer nur so weit eingerichtet war, dass er darin hausen konnte, war der Rest der Wohnung zu einem Paradies für ein großes Kind geworden. Zuerst hatte Stefan einen riesigen Fernseher in sein Schlafzimmer gestellt. Bald standen Bildschirme in jedem Raum, dazu eine Nintendo-Konsole und eine Playstation 2. Das Radio wurde durch eine High-End-Stereoanlage ersetzt, eine Putzfrau kam zweimal die Woche. Eines Tages wurde ein mannshoher Rotweinschrank angeliefert und befüllt, obwohl Stefan keine Ahnung von Wein hatte und meistens Bier trank. Mert zahlte immer noch Miete, zweihundert Euro im Monat. Doch das hatte nur symbolischen Wert.
    Stefan und Mert bezeichneten sich als Kumpel. Wenn sie aber zu zweit unterwegs waren, wirkte Mert wie Stefans Leibwächter. Nicht nur, weil Mert fast einen Kopf größer war, sondern weil man Stefan nicht mehr ansah, dass er selbst einmal geboxt hatte. Mert konnte verfolgen, wie der ehemalige Landesmeister immer mehr zu Stefan Kleinschmidt wurde, einem stämmigen Mann mit zu langen, dünnen Haaren. Stefan sprach häufig davon, wieder regelmäßig zum Training zu kommen und noch mal alles aus sich herauszuholen. Aber Mert wusste, dass Stefan fürs Boxen verloren war. Asterix wurde zu einer Erinnerung, die Wirkung des Zaubertranks war verflogen.

29
    Die Tage gleichen sich so sehr, dass Mert das Gefühl dafür verliert, wie lange er schon hier lebt, aufs Meer blickt und wartet, dass etwas passiert. Er erinnert sich nicht mehr an bestimmte Ereignisse, alles ist eins. Derselbe Strand, das Training, morgens der Pfannkuchenbäcker, abends die Sunshine Bar.
    Die Alte kommt zum Putzen, Mert räumt notdürftig zusammen, dann will er raus, weil er ihr nicht gerne bei der Arbeit zusieht. Er geht runter, ihr Mann sitzt an der

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