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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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Stück des Podestes, auf dem ein Denkmal errichtet wird. Natürlich muss man da sein, damit das Denkmal stehen kann, aber beachtet wird man dafür nicht. Dabei war man so knapp dran.
    Immerhin steht Mert in der Datenbank drin. Irgendjemand hat sich die Mühe gemacht, auch seine Kämpfe einzutragen, verbunden mit den Kämpfen seiner Gegner. Am Ende hängen alle zusammen. Andreas Sidon, gegen den Mert die deutsche Meisterschaft verlor, hat gegen Nikolai Walujew geboxt, und der wurde noch Weltmeister der WBA. Zwei Klicks von Mert zum Weltmeister. Von Walujew kann man sich durch die Weltmeister zurückklicken, bis zu Mike Tyson. Nur ein paar Klicks von Mert zu Mike Tyson. Mert hat seinen Namen in den Fels der Ewigkeit eingeritzt.
    Er ruft sein Yahoo-Mail-Konto auf, gibt sein Kennwort ein, »Bigjim«, dann entrollt sich eine Liste von Werbeangeboten, Anschreiben von unbekannten Absendern, die Viagra anbieten. Es dauert eine Weile, bis er zwei Mails findet, die tatsächlich an ihn gerichtet sind. Er geht wieder raus, wo immer noch die Sonne scheint und die Touristen sich an ihm vorbeidrücken. Alles ganz normal, in diesem Teil der Erde. Nur seine Welt ist verrückt.

32
    Die Hamburger Meisterschaften standen bevor, und damit zog eine merkwürdige Spannung in den Keller der Alsterdorfer Sporthalle ein. Allen Boxern beim Verbandstraining war klar, dass es nach langer Zeit mal wieder auf einen Kampf zwischen Felix und Mert hinauslaufen würde. Über die Gründe, warum die beiden sich aus dem Weg gingen, hatte man nur Gerüchte gehört. Gersch würde Felix betreuen, Ali, der seine B-Trainerlizenz gemacht hatte, würde in Merts Ecke stehen.
    In den Wochen vor dem Wettkampf versuchte Mert wieder in die Spur zu finden. Weniger Koks, mehr Schlaf. Er traf sich nicht mehr mit Constanze und hielt sich Stefans Aufträge so gut es ging vom Hals. Aber Mert spürte, dass er nicht mehr der Alte war. Etwas in ihm war aus seiner Verankerung gesprungen, alles lief langsam, beschwerlich. Äußerlich sah er fitter aus denn je. Er hatte so sehr abgenommen, dass seine Muskeln nicht mehr nur wie dicke Pakete durch die Haut drückten, jeder Strang zeichnete sich ab. Doch ihm ging die Puste aus, wenn er hart trainierte. Er lief, bis er nicht mehr konnte, dann drehte er um. Auf der Hälfte des Rückwegs fing sein Herz an zu rasen. Am Sandsack hielt er seine Schlagfrequenz und Geschwindigkeit, aber er hatte das Gefühl, dass die Härte fehlte. Wenn er hart schlug, konnte er das Tempo nicht halten.
    Im Ring jagte er Ali nach. Er traf ihn, wenn er schnell schlug, aber es fehlte die Dynamik. Masse und Geschwindigkeit gingen keine Einheit mehr ein. Mert bäumte sich auf. Er lief noch weitere Strecken, er schlug noch länger auf den Sandsack und fühlte sich anschließend noch leerer.
    Die ersten Begegnungen für die Hamburger Meisterschaften fanden an einem Sonntag im September statt. Die Polizeisporthalle in der Haubachstraße war normalerweise schwach besucht, Boxen war aus der Mode gekommen. An diesem Sonntag aber drängten schon einige Hundert Zuschauer zur Vorausscheidung. Die meisten wollten Felix und Mert gegeneinander kämpfen sehen, die in der Auslosung gleich in der ersten Runde als Gegner aufgestellt worden waren.
    So erfüllte sich Merts Traum. Wenn auch anders, als er es sich damals auf der Busfahrt von Schwerin zurück nach Hamburg ausgemalt hatte. Felix und Gersch waren da, Ali stand in seiner Ecke, und auch die Jungs der Hamburger Auswahl sahen zu. Sogar Stefan ließ sich mal wieder bei einer Meisterschaft blicken. Nadja war da, aber sie hatte ihren Freund dabei. Ein blasser Mann im Anzug, der neben ihr saß und sich umsah, als habe er sich in den Zoo verirrt.
    Mert war niedergeschlagen. Im Verbandstraining hatte sich herumgesprochen, dass Felix seine letzte Meisterschaft nur deshalb boxte, um Gersch einen Gefallen zu tun. Mert machte sich nicht allzu viel Hoffnung, Felix besiegen zu können. Dazu müsste er schnell und hart schlagen. Aber derzeit ging nur eines von beiden, und das nicht besonders lange.
    Ali feuerte Mert in der Kabine an. »Den haust du weg. Kurz träumt er von Kati Witt – dann knallst du ihm ein Ding, von dem er sich erst am Tag der Deutschen Einheit wieder erholt.«
    Ali versuchte nicht nur Mert davon zu überzeugen, dass er eine Chance hatte, sondern auch sich selbst. Das war er ihm schuldig. Wer in der Ecke steht, muss an seinen Kämpfer glauben, und wie bei Religion hat Glauben nichts mit Wissen zu tun. Man muss

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