Schlagmann
Kleinen in die Wange, und ich grinste und war stolz.
Bei der Regatta traf ich auch Little. Die Haare gingen ihm aus, aber sein Körper war drahtig. Er sagte, er habe Arne ein paar Mal gesehen. »Eine Zeitlang ist es ihm ziemlich dreckig gegangen, aber jetzt ist er wieder besser drauf. Er kommt manchmal sogar zum Stützpunkt und trainiert auf dem Ergometer.« Little sagte, dass am Dienstagabend ab sieben Uhr die Ehemaligen an die Geräte durften. »Andernfalls geht man aus dem Leim.«
Obwohl ich es vermied, auf seinen flachen Bauch zu sehen,wurde ich neidisch. Ohne all die Verpflichtungen hätte ich auch mehr Sport machen und mich fitter halten können. So spürte ich, wie meine Muskeln zusammenschmolzen, mein Körper zusammensackte und ich Fett ansetzte. In meinen Alpträumen erschien mir das dicke Ali-Kind. Heute gehe ich regelmäßig abends joggen und ohne Essen ins Bett.
Eines Dienstagabends beschloss ich, wieder loszulegen mit dem Training. Meine Frau war wieder schwanger, ging nicht mehr arbeiten und passte auf den Jungen auf, so dass ich überraschend Zeit für mich selbst hatte.
Es war ein seltsames Gefühl, nach drei Jahren wieder einmal meine Sportsachen zusammenzupacken, um zum Stützpunkt zu fahren. Wie einst legte ich die Sporthosen und das T-Shirt sorgfältig zusammen. Dazu ein Paar weiße Socken, schön ineinander geschoben. Meine sauberen Adidas-Hallenschuhe kamen erst in einen Extra-Stoffbeutel, bevor ich sie dazulegte. Das blau-weiße Handtuch, das die ideale Größe hat. Mein Kulturbeutel mit Duschgel und Deo. Am Ende vorsichtig den Reißverschluss der Tasche zuziehen, weil er schon lange eine schwergängige Stelle hatte. Ich genoss diese Handgriffe und verrichtete sie so geübt und andächtig wie ein Messdiener.
Der Leistungssport war Vergangenheit, aber ich fühlte, dass ich ihn immer noch in mir herumtrug. Ich spürte auf einmal Wehmut. Aber auch so etwas wie nachlassenden Schmerz. Erleichterung darüber, dass ich heil entkommen war. Und Stolz, dass ich mich ordentlich geschlagen hatte. Niemand kann sagen, ich wäre ein schlechter Ruderer gewesen. Ich gehöre für immer dazu, egal wie sehr ich abbaue.
Am Stützpunkt war es, als würde ein altes Stück mit neuen Schauspielern aufgeführt. Als ich ankam, ging die Tür auf, und die Vertreter einer neuen Sportlergeneration verließen das Klubhaus. Mannschaftsbesprechung, nehme ich an. Sie hatten unsereRollen übernommen und schienen noch größer und schwerer, als wir es waren. Ich fand, dass sie ziemlich wichtigtuerische Gesichter machten und dachte, aha, das sind also die Jungs, die jetzt von unserem Ruhm zehren.
Mich beachtete keiner von ihnen, sie liefen lachend auseinander. Der Hausmeister war noch der alte. Er grüße mich überrascht und sagte, er müsse den Ergometer-Raum nicht aufschließen, es sei schon jemand drin. Schon aus der Entfernung hörte ich das bekannte Geräusch, dieses rhythmische Surren des Schwungrads, und ich bildete mir schon am Treppenabsatz ein, den Geruch wieder in der Nase zu haben nach frischem Schweiß.
In der feuchten Luft ruderte Arne. War er es wirklich? In den letzten Jahren war er klapperdürr geworden, mit Schultern, die sich spitz unter seinem Kapuzenshirt abzeichneten, und mit dünnen Beinen in einer langen, blauen Trainingshose. Die Trainingshose war so lang, dass sie die Fußknöchel bedeckte. Seine Füße steckten in extrem großen Schuhen. Er zog gleichmäßig und rollte auf dem Sitz ruhig vor und zurück, atmete ein bisschen gepresst, aber nicht gequält. Ich bekam plötzlich Gänsehaut. Es sah aus, als ruderte hier ein Insekt, eine Gottesanbeterin. Sein flüssiger Bewegungsablauf kam mir bekannt vor. Er war schlicht und einfach … zu dünn. Viel dünner als jeder, den ich gekannt hatte.
Wir beachteten einander nicht. Nachdem ich in der Umkleide nebenan meine Sportsachen angezogen hatte, öffnete ich ein Fenster, setzte ich mich auf das Gerät neben ihn, stellte mit der Klappe die Belastungsintensität auf vier und fing vorsichtig an zu ziehen, schließlich hatte ich eine lange Pause hinter mir. Es kam mir unendlich schwer vor, und ich musste die Belastung sofort reduzieren. Langsam fand ich in einen Rhythmus und wartete darauf, dass er von meinen Gedanken Besitz ergreifenwürde. Mein Nebenmann verschwamm. Das war es, was mir die ganze Zeit gefehlt hatte, dieses Abdriften in eine Parallelwirklichkeit, das sich unter Belastung ganz von selbst einstellt. Mein Denken wurde blasser und ließ mich
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