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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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gegenüber fallen. Es war ein kühler Herbstabend, aber er trug unverändert seine dünne, labberige Trainingskleidung mit Motorradjacke. Aus der Tasche dieser Jacke holte er sofort eine Schachtel Marlboro und ein gelbes Plastikfeuerzeug und legte beides auf das Tischchen. Die Kellnerin kam und fragte ihn, was er wollte, er antwortete aber nicht und wurde rot. Peinlich berührt wandte ich mich ab, die Kellnerin schien auch verlegen.
    »Oh«, sagte sie nach einer Weile. »Du willst sicher noch einen Moment nachdenken.«
    Er nickte.
    Ich bestellte mir Würstchen mit Kartoffelsalat, und als das Essen kam, aß ich es restlos auf, ohne ihm etwas anzubieten. Dazu trank ich Weinschorle. Danach bestellte ich mir ein Stück Marmorkuchen, weil ich immer noch Hunger hatte.
    Arne saß teilnahmslos dabei und rauchte ohne Unterlass, auch während ich aß.
    Er fragte nichts. Nicht nach meinem Studium – ich hatte auf Betriebswirtschaft umgesattelt. Er fragte nicht nach meiner Familie, meinem Vater, von dem ich ihm immer wieder erzählt hatte. Er fragte auch nicht danach, ob ich noch einmal im Häuschen in Holland war. Und er erzählte auch nichts. Er rauchte und schwieg.
    Ich bestellte zu dem Kuchen noch eine Tasse Kaffee, und er sagte plötzlich, er wolle auch eine.
    »Schwarz.«
    Als der Kaffee kam, holte er ungefähr ein Viertel einer Laugenbrezel aus seiner Tasche.
    »Das habe ich noch übrig«, sagte er und zeigte es mir. »Das esse ich jetzt.« Er kaute lange darauf herum. »Das gehört noch zu meiner Tagesration.«
    Ich biss von meinem Kuchen ab und sagte:
    »Du bist ja verrückt.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Du weißt doch, dass ich nicht mehr viel trainiere.«
    Die Tür ging auf, und ein paar Bekannte von mir kamen hereingeschneit, die mich mit Küsschen und Arne mit Schulterklopfen begrüßten und sich um uns herum setzten. Es wurde wild durcheinandergeredet und laut gelacht, ich hielt wie immer mit. Hätte ich ihn angesehen – vielleicht wäre mir endlich seine ganze Verlorenheit aufgegangen, ein isolierter Blick, sein krankes Schweigen, aber so weit war ich noch nicht.
    Plötzlich fing Arne an zu frösteln, er schauderte so heftig, dass sein Stuhl anfing zu klappern. Ich sagte, wir müssten jetzt wohl gehen und rief die Kellnerin an den Tisch. Weil Arne keine Anstalten machte, seinen Kaffee zu bezahlen, nahm ich ihn mit auf meine Rechnung. Als wir durch die Tür gingen, fragte ich ihn, ob er in Geldschwierigkeiten sei. Er zuckte wieder mal mit den Schultern und gab keine Antwort. Kommentarlos nahm er auch mein Angebot an, ihn nach Hause zu fahren.
    Ich sagte im Scherz:
    »Das könnte aber ein Problem geben wegen deiner Kalorienberechnung. Dir fehlt ja jetzt der Rückmarsch.«
    »Keine Sorge«, sagte er. »Ich habe eine andere Lösung. Wenn du willst, zeige ich sie dir in meiner Wohnung.« Plötzlich zwinkerte er mir zu. »Du warst lange nicht dort.«
    Wie bitte? Ich überlegte, ob ich mitkommen sollte. Ich hattekeine Lust, mich wieder auf ihn einzulassen, nur damit er mich noch einmal würde zurückweisen können. Aber bei Arne bedeutete eine solche Einladung genau das, was er sagte.
    Ich fand einen Parkplatz direkt vor seinem Haus und ging mit ihm hinein. In der Wohnung war es noch stickiger als beim letzten Mal, es stank nach kaltem Rauch, dazu war es stockfinster, die Fenster hatte er von innen mit schwarzem Stoff beklebt. Arne tastete sich durchs Wohnzimmer an seinen Computertisch und knipste eine kleine Lampe an.
    »Das reicht«, sagte er. »Mehr Licht brauchen wir nicht.«
    Ich trat näher und sah, dass er einen neuen Bürostuhl hatte. Das heißt, es war ein vielfach verstellbarer, ziemlich abgewetzter, mit grauem Stoff überzogener Chefsessel, auf dem er sich in einer unbequem wirkenden Haltung niederließ. Ich bemerkte, dass die Rückenlehne viel zu tief eingestellt war, so dass er mit vorgeschobenen Hüften mehr lag als saß.
    »Was ist das für eine unnatürliche Haltung?«, fragte ich.
    Er stand auf und bot mir seinen Platz an.
    »Probiere es doch mal selbst.«
    Ich spürte sofort, was er meinte. Durch die tiefe Lage des Rückens spannten sich meine Bauchmuskeln an. Es gab keine Möglichkeit, zu sitzen, den Computerbildschirm zu erkennen, und gleichzeitig den Bauch lockerzulassen. Ich schaffte es nur ungelenk, wieder aufzustehen.
    »Arne, du sitzt doch wohl nicht den ganzen Tag auf diesem Folterwerkzeug?«
    Er nickte.
    »Doch. Das ist nicht nur ein Bürostuhl, sondern gleichzeitig ein

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