Schlangen im Paradies
das Tablett auf den Nachttisch und betrachtete Elizabeth prüfend. «Sie fühlen sich nicht wohl.»
Elizabeth schob das Kissen ans Kopfende und setzte sich auf.
«Na, ich nehme an, ich werd’s überleben.» Sie bemühte sich zu lächeln. «Irgendwie müssen wir ja weitermachen, oder?» Sie musterte das Tablett. «Das Frühstück, das Sie verblühten Spät-lingen zur Aufmunterung servieren – so sagen Sie doch immer?»
«Damit meine ich natürlich nicht Sie», protestierte Vicky.
«Ich hatte zwei Tage frei und hab das mit Miss Samuels eben erst erfahren. Sie war so ein lieber Mensch. Aber können Sie mir erklären, was sie im römischen Bad zu suchen hatte? Mir hat sie mal erzählt, sie kriegt vom bloßen Anblick ’ne Gänsehaut. Es erinnert sie an eine Gruft, das hat sie gesagt. Auch wenn sie sich schlecht fühlte, dahin wäre sie zuallerletzt gegangen.»
Nachdem Vicky sich verabschiedet hatte, nahm Elizabeth den Tagesplan vom Tablett. Ursprünglich wollte sie keine weiteren Behandlungen, überlegte es sich dann aber anders. Sie war um zehn zur Massage bei Gina vorgemerkt. Vielleicht konnte sie von der redseligen Gina mehr an Personalklatsch erfahren, wenn sie die richtigen Fragen stellte.
Elizabeth beschloß, das volle Programm zu absolvieren, solange sie hierblieb. Seit der ersten Gymnastikstunde waren ihre Glieder zunehmend lockerer und geschmeidiger geworden, aber es war ihr schwergefallen, nicht ständig zu Alvirah Meehans Platz in der ersten Reihe hinüberzuschauen. Sie hatte sich so abgeplagt, daß sie am Schluß mit hochrotem Gesicht schwer schnaufte. «Immerhin hab ich die ganze Zeit mitgehalten», hatte sie Elizabeth stolz mitgeteilt.
Auf dem Korridor zu den Kosmetikräumen stieß sie mit Cheryl zusammen. Sie war im Bademantel und hatte Finger- und Fußnägel knallrot lackiert. Elizabeth wollte wortlos vorüberei-len, doch Cheryl hielt sie am Arm fest. «Ich muß mit dir reden, Elizabeth.»
«Worüber?»
«Über diese anonymen Briefe. Besteht die Möglichkeit, noch welche zu finden?» Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach sie überstürzt weiter: «Solltest du nämlich noch welche haben oder finden, wünsche ich, daß man sie analysiert, auf Fingerabdrücke oder sonstige Hinweise untersucht, alles, was du und die Wissenschaftler tun können, um dem Absender auf die Spur zu kommen. Ich war’s jedenfalls nicht! Kapiert?» Elizabeth sah ihr nach, wie sie den Korridor entlangfegte. Sie hörte sich überzeugend an, darin mußte sie Scott zustimmen. Wenn sie anderer-seits so gut wie sicher war, daß nach diesen letzten beiden Briefen keine weiteren mehr auftauchen konnten, hatte sie absolut richtig und glaubhaft reagiert. Eine wie gute Schauspielerin war Cheryl?
Um zehn lag Elizabeth auf dem Massagetisch. Gina kam herein.
«Für Aufregung ist hier reichlich gesorgt», begann sie.
«Das kann man wohl sagen.»
Gina streifte Elizabeth eine Plastikhaube über das Haar. «Erst Miss Samuels, dann Mrs. Meehan. Unglaublich.» Sie begann, Elizabeth den Nacken zu massieren. «Da ist wieder alles verspannt. Eine scheußliche Zeit für Sie, wo Sie doch mit Miss Samuels befreundet waren.»
«Ja, das stimmt», murmelte sie und lenkte dann ab, um nicht weiter über Sammy reden zu müssen. «Haben Sie auch Mrs.
Meehan behandelt, Gina?»
«Na klar. Montag und Dienstag. Eine beachtliche Frau. Was ist denn mit ihr passiert?»
«Das weiß man nicht genau. Sie wollen jetzt ihre Krankengeschichte überprüfen.»
«Ich hatte sie für kerngesund gehalten. Ein bißchen untersetzt, aber Tonus, Herzschlag, Atmung einwandfrei. Sie hatte Angst vor Spritzen, aber davon kriegt man doch keinen Herzstill-stand.»
Elizabeth zuckte zusammen, als Gina nun ihre Schulterpartie durchwalkte.
Gina lachte bekümmert. «Meinen Sie etwa, es gab auch nur einen im Haus, der nicht wußte, daß Mrs. Meehan im Behandlungsraum C eine Kollageninjektion bekommen sollte? Eins von den Mädchen hat sie Cheryl Manning fragen hören, ob sie dort schon mal Kollagen gekriegt hat. Können Sie sich so was vorstellen?»
«Nein. Sie haben mir doch neulich gesagt, Gina, seit Leilas Tod wär’s hier nicht mehr dasselbe. Ich weiß schon, sie zog eine bestimmte Sorte von Schickeria her, aber der Baron hat doch jedes Jahr eine ansehnliche Menge neuer Gesichter ins Haus gebracht.»
Gina brauchte noch etwas Creme, um weiterzumassieren. «Irgendwie komisch, vor ungefähr zwei Jahren war’s aus damit.
Keiner kann sagen, warum. Rumgereist ist er ja
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