Schlangen im Paradies
ihm den Kopf zu, stützte sich auf den Ellbogen. Ein schöner Mann, selbst im Schlaf … Er lag auf der Seite, das Gesicht ihr zugewandt, eine Hand nach ihr ausgestreckt, sein Atem ging jetzt ruhig und gleichmäßig.
So hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie wußte nicht, wann er zu Bett gegangen war, doch um zwei hatte er sie aufgeschreckt. Er wälzte sich unruhig hin und her, stieß mit gedämpfter Stimme Zorneslaute aus. Sie fand keinen Schlaf mehr, als sie verstand, was er sagte: «Hol dich der Teufel, Leila, fahr zur Höl-le.»
Instinktiv hatte sie ihm die Hand auf die Schulter gelegt, leise besänftigend auf ihn eingeredet, bis er sich entspannte. Würde er sich an den Traum erinnern, daran, daß er im Schlaf gesprochen hatte? Sie hatte sich durch nichts anmerken lassen, daß sie ihn gehört hatte. Zu erwarten, daß er ihr die Wahrheit sagte, wäre sinnlos. Hatte es also doch etwas zwischen ihm und Leila gegeben, so unglaubhaft das auch scheinen mochte? Oder war es ein einseitiges Gefühl, das Helmut zu Leila hingezogen hatte?
Das machte die Sache keineswegs leichter.
Morgenlicht, inzwischen mehr goldfarben als rosa getönt, erhellte allmählich das Zimmer. Vorsichtig stieg Min aus dem Bett. Trotz aller Seelenqual genoß sie einen Augenblick lang die Schönheit des Raumes. Helmut hatte die gesamte Innenausstat-tung besorgt. Wer sonst hätte sich eine derart ausgeklügelte farbliche Abstimmung ausdenken können: pfirsichfarbene Vorhänge und Bettwäsche zu dem tiefen Blauviolett des Teppichs?
Wie lange würde sie wohl noch hier wohnen? Dies könnte ih-re letzte Saison sein. Die Million Dollar auf dem Schweizer Bankkonto darf ich nicht vergessen, sagte sie sich. Allein die Zinsen würden reichen.
Reichen für wen? Für sie? Vielleicht. Für Helmut? Niemals!
Sie hatte immer gewußt, daß Cypress Point einen großen Teil ihrer Anziehungskraft für ihn ausmachte, es bot ihm die ersehnte Kulisse, sich effektvoll zu präsentieren, die Gelegenheit, Prominenz um sich zu scharen. Meinte sie im Ernst, er würde sich mit einem verhältnismäßig einfachen Lebensstil an der Seite einer alternden Frau zufriedengeben?
Geräuschlos glitt Min durchs Zimmer, schlüpfte in einen Bademantel und ging die Treppe hinunter. Helmut würde noch eine halbe Stunde schlafen. Sie mußte ihn regelmäßig um halb sieben wecken. In dieser halben Stunde konnte sie ungestört einige Unterlagen durchsehen, insbesondere die Abrechnungen von American Express. In den Wochen vor Leilas Tod war Helmut häufig abwesend gewesen. Er war eingeladen worden, auf meh-reren Ärzteseminaren und -tagungen Vorträge zu halten, er hatte seinen Namen für einige Wohltätigkeitsbälle hergegeben und auch an einigen teilgenommen. Das war gut fürs Geschäft. Doch was hatte er sonst noch getan, wenn er an der Ostküste war? Um jene Zeit war auch Ted sehr viel auf Reisen gewesen. Sie verstand Helmut. Leilas offenkundige Geringschätzung mußte ihn herausfordern. Hatte er sie gesehen?
Am Vorabend von Leilas Tod hatten sie die öffentliche Generalprobe ihres Stücks besucht, waren danach im Elaine. Sie hatten im Plaza gewohnt und waren morgens nach Boston zu einem Wohltätigkeitsbankett geflogen. Abends um halb sieben hatte er sie zu einem Flugzeug nach San Francisco gebracht. Hatte er, wie vorgesehen, an dem Dinner in Boston teilgenommen oder die 19-Uhr-Maschine nach New York genommen?
Der Gedanke verfolgte sie.
Um Mitternacht kalifornischer Zeit – an der Ostküste war es also drei Uhr früh – hatte Helmut sie angerufen, um sich zu ver-gewissern, ob sie gut daheim angekommen war. Sie hatte angenommen, er telefoniere aus Boston.
Das ließ sich im dortigen Hotel leicht überprüfen.
Am Fuß der Treppe wandte sich Min nach links und ging, den Schlüssel in der Hand, zum Büro. Die Tür war nicht abgeschlossen. Der Zustand, in dem sie den Raum vorfand, traf sie wie ein Schlag. Das Licht brannte noch, auf Doras Schreibtisch lagen stapelweise Briefe herum, Plastikbeutel, deren Inhalt über den Fußboden verstreut war, ein achtlos beiseite geschobenes Tablett mit Essensresten. Bis jetzt hatte sie doch zumindest noch so viel Verstand besessen, das Büro mit diesem albernen Kram zu verschonen. Wenn sie diese Post unbedingt erledigen will, wird sie das künftig in ihrem eigenen Zimmer tun. Damit basta. Oder vielleicht war es an der Zeit, jemanden loszuwerden, der so stur an seinem Leila-Kult festhielt. Was wäre das für Cheryl für ein Festessen
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