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Schlangenaugen

Schlangenaugen

Titel: Schlangenaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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Warum Tom Stratton hier stand, wusste er selbst nicht. Vielleicht war es die Hoffnung, Neues zu erfahren, vielleicht so etwas wie Instinkt. Den besaß er mehr als der Köter, der ihn bis hierher begleitete. Den Bluthund hatte er in der Stadt verkauft, der hielt ihn nur auf. Stattdessen brauchte er einen schnelleren Gaul.  
    Geduldig wartete er mit den anderen Leuten, bis die großen, weiß schimmernden Aufbauten der „Elizabeth Kane“ ihnen entgegen leuchteten. Viele der Gäste standen bereits an Deck und winkten, obwohl sie nur als kleine, bunte Punkte zu erkennen waren. Der alte Aufseher wartete weiter. Der Dampfer legte an, der Steg wurde angelegt, die ersten Passagiere verließen das Schiff. Die von Bord gehenden Männer erhielten vom Zahlmeister ihre Waffen zurück, die sie in Baton Rouge hatten abgeben müssen. Das Tragen von Revolvern war an Bord nicht erlaubt.
    Über einen zweiten Steg weiter achtern wurde bereits die erste Fracht ausgeladen. Riesige Baumwollpacken auf gebeugten Rücken. In einer langen Reihe gingen auch hier die Neger-Sklaven hintereinander, begleitet von dem leisen Klirren ihrer Fußketten. Für Stratton ein gewohnter Anblick. Die wartenden Lastwagen der Webereien nahmen die Lasten auf.
    Der ehemalige Aufseher der Cloudy Moon saß auf einer etwas höher gelegenen Mauer, kaute auf einem Grashalm und schaute dem regen Treiben mit unbeteiligter Miene zu. Kritisch beäugte er jeden, der den Steg hinunter kam. Stunden vergingen. Jetzt ging auch die Mannschaft von Bord. Und ein sehr großer, schlanker Mann in Schwarz mit einem flachen Hut. In seiner Begleitung ein etwas kleinerer, athletischer junger Mann mit zartbrauner Haut. Joseph St. Cloud! Wie von der Tarantel gestochen fuhr Stratton hoch. Ein Fluch kam über seine zusammengepressten Lippen. Was hatte das zu bedeuten? War ihm jemand zuvor gekommen? Der Mann in Schwarz – ein Revolverheld? Ein Kopfgeldjäger?
    Er zog den breitkrempigen Hut tief ins Gesicht, als die beiden vorbeigingen. Die schlanken Finger, der tief gegurtete Colt von Josephs Begleiter schienen seine Vermutung zu bestätigen. Als die beiden Männer einigen Vorsprung hatten, folgte Stratton ihnen unauffällig. Sie gingen hinüber zum Mietstall.
    Andrés letzte Dollar gingen für die beiden Pferde drauf. Aber das war es ihm wert. Der Spieler in ihm vertraute auf das Glück. Es hatte ihn bislang nur einmal verlassen: beim Würfeln. Aber letzten Endes hatte selbst der Rauswurf aus Baton Rouge ihm Glück gebracht. Ein Teil davon war bereits bei ihm. Joe würde mit ihm den langen Ritt nach Kentucky gemeinsam machen. Gegen Abend machten sie sich auf den Weg. In den Packtaschen befand sich ein wenig Proviant und Munition. Verpflegen mussten sie sich unterwegs aus der Natur. Aber die Kaninchenjagd war etwas, das André schon als kleiner Junge gut beherrschte. Schweigend ritten sie nebeneinander her, hinaus aus der immer noch hektischen Stadt. Sie ahnten nicht, dass sie verfolgt wurden. In gehörigen Abstand ritt Tom Stratton hinter ihnen her. In seinem Gepäck befand sich eine langläufige Schrottflinte.
    Der Vollmond erlaubte ihnen ein gutes Vorwärtskommen, so dass André und Joe erst kurz vor Mitternacht an einem Waldrand Rast machten und ein Lagerfeuer entzündeten. Sie gönnten sich einen Kaffee im Blechbecher und eine Dose Bohnen mit Speck.
    „Wird ´ne lange Reise“, meinte André, als er sich den Kaffee eingoss. Er schmeckte bitter und trotzdem belebend. Joseph nickte. Er hing seinen Gedanken nach. Dachte an seine Kindheit auf der Plantage und die Worte von Mama Bo. Offenbar waren nicht alle Weißen schlecht. Der erste Maat hatte ihm sogar noch einen Vierteldollar zugesteckt, obwohl er doch als blinder Passagier auf der „Kane“ war. Und dieser Andy verwirrte ihn vollends. Seine strahlend blauen Augen schienen immer zu lächeln. Da war so gar nichts Böses an diesem Mann. Jetzt im Schein des Feuers betrachtete er ihn genauer.  
    Die schwarzen Haare, von denen zwei Strähnen über die Stirn fielen, diese großen, lachenden Augen, ein markantes Kinn, das einen leichten Bartansatz zeigte. Er war verdammt hübsch. Das gleiche fand übrigens André in Bezug auf Joe, dem das Lagerfeuer einen goldenen Schimmer auf die gebräunte Haut zauberte. Verlegen räusperte sich der Spieler, als er wieder dieses drängende Verlangen in sich spürte. Seine Hose spannte unangenehm.
    „Du erzählst nicht viel über dich, was?“, bemerkte er mit einem spöttischen Unterton. Damit

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