Schlangenaugen
führen würde und machte sich selbst dorthin auf den Weg. Major Ellington würde sie erwarten. Welch ein gefundenes Fressen für ihn und eine Bereicherung für seine Einheit! In ein paar Tagen würden sie aufbrechen. Aus dem neutralen Kentucky in den Süden ziehen, dort, wo erbitterte Schlachten tobten. Da konnte man zwei weitere Gewehre gut gebrauchen.
Wie er vorausberechnet hatte, kamen André und Joseph eine Viertelstunde später in Pete´s Saloon, eine typische Grenzstadtschänke, in der sich alle Gesellschaftsschichten trafen und abendliche Schlägereien an der Tagesordnung waren. Joes Bein schmerzte noch immer und er belastete es mit äußerster Vorsicht. Einen Saloon der Weißen zu betreten war einem Schwarzen bei Todesstrafe verboten. Das wusste er. Daher versuchte er, sich so selbstverständlich wie möglich zurechtzufinden und orientierte sich an seinem Freund.
Es roch nach abgestandenem Bier, süßlichem Bardamenparfüm und kaltem Tabak. In das Ganze mischte sich der Geruch von Schweiß und Pferdemist. Normalerweise würden weder der Spieler noch sein Freund jemals ein solches Lokal betreten, wäre da nicht der gewaltige Durst, der sie nach der langen Reise quälte. Sie bestellten beide ein kaltes Bier, was der Barkeeper ihnen auf der schmutzigen Theke ´rüberschob. Pete hatte sie kurz beim Eintreten gemustert und für harmlos befunden. Auch der tiefhängende Colt an Andrés rechter Seite schreckte ihn nicht. Pete hatte schon ganz andere Kaliber von Revolvermännern kennengelernt. Davon zeugten die vielen Einschusslöcher in den Wänden seines Gastraumes. Im oberen Stockwerk befanden sich seine Privaträume und die Zimmer waren den beiden angestellten Animierdamen Sue und Josie vorbehalten. Die schliefen noch, denn ihr Dienst begann erst nach Einbruch der Dämmerung. Überhaupt war sehr wenig los so früh am Vormittag. Ein paar hartgesottene Zocker teilten sich einen Tisch in der Ecke und spielten Karten. Ein kleiner Geldbetrag lag in der Mitte. Der alte Ben schlief mit dem Kopf auf dem Tisch seinen Rausch aus, und einige Männer aus Ellingtons Bataillon saßen gemeinsam an einem Tisch und genossen ein spartanisches Frühstück, bestehend aus Eiern mit Speck und schwarzem Kaffee.
André und Joseph tranken schweigend. Sie waren müde und erschöpft. Auf der tagelangen Reise waren sie sich in vielen Gesprächen näher gekommen, hatten Gemeinsamkeiten entdeckt, ihre Freundschaft vertieft und doch hing Strattons Tod wie ein Damoklesschwert über ihnen. Nachts, wenn sie nebeneinander am Feuer lagen, wagten sie kaum, sich anzusehen. Wenn sie tagsüber im gemächlichen Schritt nebeneinander ritten, um die Pferde zu schonen, berührten sich ihre Schenkel oft wie zufällig. Doch sie wollten sich ihre Zuneigung nicht eingestehen, die sie erst durch diesen unglückseligen Vorfall entdeckt hatten. Joseph hatte sich selten so geborgen gefühlt wie bei André. Es schien diesem nichts auszumachen, dass er ein Mischling war.
Er behandelte ihn wie einen weißen Freund. Aber da war doch noch mehr als Freundschaft... und genau das schien ihnen beiden Angst zu machen. Das hier war eine Welt der harten Männer, des Krieges, der Waffen. Aber in ihnen beiden schlummerte eine zartfühlendere Seite, die sie unter allen Umständen verbergen mussten und sich nicht einmal voreinander eingestehen wollten.
Ellington saß zwei Barhocker entfernt von ihnen und betrachtete die beiden vom Reisestaub bedeckten Ankömmlinge aus den Augenwinkeln. Der eine groß und schlank, der andere etwas gedrungener und muskulöser. Letzterer würde einen guten Soldaten abgeben, doch er schien verletzt zu sein. Den anderen konnte der Major schwer einschätzen. Auf den ersten Blick ein Gunman, doch genauso gut konnte er ein durchtriebener Geschäftsmann sein. Er beschloss, den beiden auf den Zahn zu fühlen.
"Wo kommt ihr her?", fragte er geradeheraus und wandte sich ihnen zu. André blickte ihn an. Ellingtons Augen schienen ihn wie Dolche zu durchbohren. Ein Kommandant, der es gewohnt war, dass man ihm Rede und Antwort stand.
"Louisiana", antwortete er daher kurz und wollte sich wieder seinem Bier zuwenden, doch der blauuniformierte Major ließ ihn nicht von der Angel.
"Kriegsflüchtlinge, was? Wolltet wohl nicht zu den Verlierern gehören?", rief er so laut aus, dass seine Männer am Tisch es hören konnten und in lautes Gelächter ausbrachen. André ignorierte es, doch das passte Ellington auch nicht.
"Warum schlagt ihr euch nicht auf die
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