Schlangenfluch 2: Ravens Gift (German Edition)
verzeihen, sollte er wissen, dass Laurens ihn nach wie vor liebte.
„Du bist wieder eine feige Sau, Laurens Johannson.“ Sein Flüstern höhnte ihm aus allen Ecken des heller werdenden Zimmers entgegen. Aber ohne diesen Hoffnungsschimmer würde er Morar nicht verlassen können.
Auf dem Tisch lag die Skizze von Frühstück mit Nessi. Laurens schrieb quer über das Blatt.
Ich liebe dich. Hol mich zurück, wenn du mir irgendwann verzeihen kannst. Ich warte. Und wenn es Jahre dauert.
Jedes Wort verschwamm, aber er musste diesen Brief auch nicht lesen können. Er war für Samuel bestimmt.
***
Diesmal war Baxter außergewöhnlich sanft mit ihm umgegangen. Toms Gesicht war neu und Baxter war stolz darauf. Nachdem er ihn gevögelt hatte, hatte er sofort die frischen Narben kontrolliert.
„Tut es weh, wenn dir das Blut ins Gesicht schießt?“ Baxter strich sich die Haare zurück. Sie waren noch nass. Tom musste vorher duschen, Baxter duschte hinterher. Ihre Treffen folgten strikten Regeln.
Tom tastete über seinen Mund, der nur noch ein wenig geschwollen war. „Etwas. Aber es ist besser als gestern.“ „Sehr gut.“ Baxter setzte sich zu ihm und hob sein Kinn an. Seit der Operation benahm er sich wieder ausgesprochen mitfühlend. „Mein junger Adonis“, seufzte er zufrieden mit seinem Werk. „Wenn du die letzte Operation hinter dich gebracht hast, wirst du wieder wunderschön sein.“
Schon jetzt sah Tom wesentlich besser aus. Der Mund war gerade und das Lid hing nicht mehr. Beim nächsten Termin würden die wulstigen Narben auf der Wange entfernt werden. Aber das ging erst in frühestens vier Monaten. Zum neuen Jahr war er fast wieder der Alte.
„Brauchst du was gegen die Schmerzen?“ Aus der Brusttasche seines Hemdes zog er ein Fläschchen. „Kein Autofahren, kein Alkohol. Und wenn du die Tropfen im Mund hast, musst du dir auf die Zunge oder in die Wange beißen. So wirken sie am besten.“
Er sollte sich beißen? Hatte er nicht genug Schmerzen?
„Vertrau mir Tom. Das ist etwas ganz Besonderes. Die Tropfen stammen von einem chinesischen Arzt. Eine ehemalige Patientin von mir versorgt mich hin und wieder damit. Sie nehmen nicht nur Schmerzen, sie heilen auch.“ Baxter kniff ihn grinsend in die heile Wange. „Und sie machen glücklich und ein bisschen geil.“ Sein Kichern war albern. Ein Wort wie geil passte ebenso wenig zu Baxter, wie der peinliche Mist, den er Tom beim Vögeln ins Ohr keuchte. Baxter wartete, bis Tom gehorcht hatte. Zuerst brannte es, dann strömte eine angenehme Hitze durch seinen Mund, die sich langsam im gesamten Körper ausbreitete. Ein leichtes, schwebendes Gefühl stellte sich ein. Tom hörte sich seufzen, betrachtete Baxter beim Lächeln und fand dessen schwammiges Gesicht nur noch halb so abstoßend.
„Warum hast du mich angelogen, Tom?“, fragte Baxter sanft.
„Deine Narben stammen von keinem Hundebiss. Ich bin dein Arzt. Du musst mir vertrauen.“ Zärtlich streichelte seine schwitzige Hand über Toms Stirn. „Erzähle es dem lieben Onkel Baxter. Wer hat dir das angetan?“
Natürlich, Baxter war sein Arzt, sein Gönner. Warum sollte er ihm nicht vertrauen? Tom leckte über die Innenseite des breiten Handgelenks, das vor ihm auftauchte. Baxter lächelte, wartete aber weiterhin auf eine Antwort.
„Es war ein Mensch.“ Warum nannte er dieses Monster noch so? Samuel war kein Mensch. Samuel war das, was er leiden sehen wollte.
Baxter pfiff leise durch die Zähne. „Wäre ich jemals so wunderschön wie du gewesen, würde ich denjenigen, der mich entstellt hat, abgrundtief hassen.“
„Ich werde ihn töten. Oder etwas tun, dass er sich den Tod wünscht.“ In den unterschiedlichsten Visionen schwelgte sein Hirn in Samuels Qual.
„Du liebe Güte. Was auch immer du denkst, es macht dich hart.“ Baxter strich zwischen Toms Beinen entlang. Sein Lächeln kam näher, weiche Lippen drückten sich auf Toms Mund. Keine Narbenschmerzen. Nur Lust, den Kuss zu erwidern.
***
Kein Wort von Samuel. Kein Anruf, keine SMS.
Laurens vergrub seine ölverschmierten Finger in den Haaren. Manchmal sprang ihn die Verzweiflung an, dass er nicht mehr atmen konnte, manchmal kroch sie langsam in ihm hoch. Weh tat beides. So sehr, dass er nicht wusste, wie er weitermachen sollte.
Im Zimmer nebenan klapperte etwas, dann ging die Tür auf.
„Laurens?“ Jarek starrte zuerst ihn, dann das mittlerweile wieder zusammengebaute Fahrrad an. „Lohnt es sich zu fragen, warum du um
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