Schlangenfluch 2: Ravens Gift (German Edition)
an.
„Weißt du noch, wie du mich beim letzten Mal gebeten hast, dich zu nehmen?“ Ravens Stimme schmeichelte, so sanft war sie.
Es war lange her gewesen. Vor Laurens. An einem bösen Tag. Raven hatte ihn abgewiesen. Sie waren Brüder, keine Geliebten .
„Heute bitte ich dich, mich zu lieben.“
Sein Bruder, der ihn verzweifelt küsste, ihm pulsierende Lust zwischen die Beine rieb. Eine Vision? Sie klebte wie Sirup, ließ sich nicht abschütteln. Viel zu schnell senkte sich Raven auf ihn herab. Lust. Sie schoss in Samuels Lenden, scharfkantig und heiß. Raues Stöhnen aus Ravens weit offenem Mund. Ein Traum? Niemals. Samuel kämpfte sich durch dicke Watteschichten, alle getränkt in Begierde und Sehnsucht. Er musste zurück in die Realität.
Raven über ihm. Sein Gesicht war verzerrt. Er war zu schnell, zu heftig. Samuel hielt ihn an der Hüfte fest. Raven schlug seine Hände weg, biss sich auf die Lippe, liebte ihn noch wilder.
Nur einen Augenblick Klarheit, um diesen Irrsinn zu beenden. Samuel stemmte sich hoch und brachte Raven mit Gewalt unter sich. Sein Herz schlug bis zum Hals und kalter Schweiß brach ihm aus.
„Hör nicht auf.“ Raven klammerte sich an ihn. „Ich will den Rausch.“
Von ihm würde er ihn nicht bekommen. Er versuchte sich von Raven zu lösen, aber sein Bruder schlang die Beine um Samuels Hüfte.
„Vergiss heute Nacht, dass ich dein Bruder bin.“
Diese Augen. Ihr flehender Blick stach durch die Traumbilder, die sich über Samuel stülpten wie eine zweite Haut. Sie waren eng, warm, griffen nach ihm mit gierigen Händen.
Der Körper schwer wie Blei, zitternde Arme. Ravens Beine, die sich fester um ihn schlangen, die ihn tiefer in Raven hineindrückten. Eine lüsterne Stimme in ihm schrie nach Erlösung. Weg mit ihr. Dahin, wohin sich auch seine Schuldgefühle verkrochen hatten. Er vögelte seinen Bruder. Verdammt noch mal!
Ravens Schrei hallte in Samuels Kopf, riss ihn mit sich. Der Taumel packte ihn, als sich Ravens Miene entspannte. Noch ein Stoß, dann noch einmal. Raven hielt ihm den Mund zu. „Sei leise. Tu es Laurens nicht an.“
Laurens …
Raven drückte ihm fester auf den Mund, stieß zischend einen Fluch aus, ersetzte endlich die Hand durch seine Lippen. Samuel trieb fort, löste sich zwischen dem Nachthimmel und seinem Bruder auf.
Laurens. Bitte hab den Verrat nicht gehört.
Er musste es ihm sagen, irgendwann, wenn er wieder klar denken konnte.
***
„Tom? Bist du da?“
„Miyu?“ Nicht jetzt. Es war mitten in der Nacht, und Tom wälzte sich in Samuels Blut. Es spielte keine Rolle, dass es nur in seiner Fantasie stattfand. Das Gefühl war satt, fett und fraß sich zu seinem Herz.
„Wer sonst?“ Miyus überzogen piepsige Stimme drang durch die Wohnungstür. „Tom! Herrgott noch mal! Mach auf. Ich muss morgen früh raus.“
„Dann hättest du früher kommen sollen.“ Er legte die Hand auf die Klinke, würgte seinen Hass hinunter. Sie würde ihren Rekord im Kurzzeit-Besuchen brechen. Viereinhalb Minuten würde sie locker unterbieten können. Rein, Einkaufstüte hingestellt, einen Speed-Small-Talk und weg von dem Mann, der ihre Albträume beflügelte. Mit einem kräftigen Ruck riss er die Tür auf. Miyu fuhr zusammen und kiekste vor Schreck.
„Langsam solltest du dich an meinen Anblick gewöhnt haben.“
„Habe ich auch.“ Sie klang wütend, aber ihr Gesicht zeigte keine Regung. „Ich habe mich nur erschreckt, weil du wie ein Irrer die Tür aufgerissen hast.“ Im Vorbeigehen drückte sie ihm den Kassenbon vom Supermarkt in die Hand. „Hast du es passend? Ich habe kein Wechselgeld.“
„Wenn du für mich Geld abhebst, runde ich den Betrag auf.“
Miyu rollte die Augen. „Es wird Zeit, dass du endlich einen Arzt aufsuchst. Heutzutage schafft die Chirurgie so was.“ Ihr Blick verweilte für den Bruchteil einer Sekunde auf seiner rechten Gesichtshälfte, aber das übliche entsetzte Stirnrunzeln blieb aus.
„Was ist mit dir? Hast du ne Gesichtslähmung?“
„Ein bisschen.“ Die Andeutung eines verlegenen Lächelns zeigte sich ausschließlich auf Miyus Mund. „Mein Freund fand meine Stirnfalten doof und da bin ich mit Becky zusammen auf ne Botox-Party gegangen.“ Nebenbei streifte sie über ihre Stirn. „Der Typ meinte, diese anfängliche Reglosigkeit gehöre dazu und würde von allein verschwinden.“ Erst jetzt bemerkte sie, dass der Spiegel im Holzrahmen fehlte. Er hatte seine Existenz kurz nach dem Badezimmerspiegel
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