Schlangenfluch 2: Ravens Gift (German Edition)
trocken. „Bring mich hier weg, Samuel.“ Er setzte sich auf und nahm seine Hand. „Fahr mich nach London zurück und versprich mir, dass Raven tot ist, wenn ich das nächste Mal hierher komme.“
***
Wenn man von den Schatten unter Guidos Augen absah, war der Kerl ziemlich frisch für jemanden, der unbekannte Gifte an sich selbst testete. Klaus richtete sich im Bett auf, um den Stapel Papiere besser durchsehen zu können, den ihm Guido auf die Decke gelegt hatte. Mit einem Nicken scheuchte er die Krankenschwester hinaus. Nur mit Mühe hatte er Sabine davon abhalten können, diesen Job selbst zu übernehmen. Aber sie war nicht dazu da, ihm Piss-Flaschen zwischen die Beine zu schieben, sondern um seine Korrespondenz am Laufen zu halten.
„Siehst scheiße aus, Klaus, aber das weißt du sicherlich. Was hat der Arzt gesagt?“ Guido setzte sich zu ihm und versuchte erst gar nicht, zu lächeln.
„Dass ich mich mit allem, was ich noch erledigen will, beeilen soll.“
„Schön, ich habe noch eine schlechte Nachricht für dich.
Die transgenen Mäuse sterben wie die Fliegen.“ Er fuhr sich über die Augen und sah danach noch müder aus. „Dafür hat eine der Drogen-Versuchs-Mäuse plötzlich angefangen, ihre Kumpel anzufallen. Ihr erstes Opfer starb nach dem Biss, die andern leben noch. In Anbetracht dessen, dass dieser Beiß-Maus in den letzten Wochen verlängerte Eckzähne gewachsen sind und ihre Iriden gelbgrün schillern, vermute ich eine mutagene Wirkung des Schlangengiftes, und was das Beste ist: Ihr ist das Fell auf dem Rücken ausgefallen und heute Morgen musste ich mit Erstaunen feststellen, dass sich dort winzige Hornplatten bilden.“
„Toll. Hast du nicht gesagt, du hättest dir das Zeug injiziert?“
Das nervöse Auflachen war untypisch für Guido. „Bis jetzt ist es nur eine Maus, die betroffen ist. Also mach mir keine Angst, aber du triffst den Nagel trotzdem auf den Kopf. Ich steige aus der Versuchsreihe aus. Du bist jetzt dran.“
Guido hielt eine Spritze mit nicht mal einem Milliliter Flüssigkeit hoch. „Hier drin ist die Flüssigkeit, die ich aus den Mäusezähnen gemolken habe. Ich habe sie verdünnt. Um welchen Faktor sag ich dir nicht, sonst lachst du mich aus.“
Nach Lachen war ihm gerade weniger zumute.
„Von der Originalsubstanz ist nur noch eine winzige Referenzmenge da.“ Guido sprach mit professioneller Emotionslosigkeit. „Die werde ich aber erst anrühren, wenn ich eine sichere Quelle für den Nachschub habe.“
„Du verarschst mich.“
Mit einer Engelsgeduld wartete Guido den Hustenkrampf ab und reichte ihm netterweise zwischendurch Taschentücher nach.
„Mach dir keine Gedanken, Klaus. Bei der Verdünnung wirst du mehr als ein angenehmes Kribbeln sowieso nicht erwarten können.“ Er fischte aus dem Papierhaufen eine beachtlich dicke Mappe. „Lies dir das in Ruhe durch. Ich habe meine gesamten Reaktionen auf das Gift notiert. Die Psychologischen überwiegen, aber da gibt es auch ein paar Physische, die nicht zu verachten sind.“
Der Griff zur Sauerstoffmaske war Klaus in Fleisch und Blut übergegangen. Er überflog die Notizen. Was er las, klang nach dem, was er wollte. Eine massive Steigerung der Libido musste nicht unbedingt sein, aber die euphorischen, visionsgetränkten Zustände hätte er gerne genommen. Auch der Kraftzuwachs, der sich allerdings erst nach wiederholten Injektionen einstellte, war nicht zu verachten.
Kopfschmerzen, Mundtrockenheit und ein paar rote Schwellungen an der Haut, die sich aber zurückgebildet hatten. Im Vergleich zu den Nebenwirkungen einer Chemobehandlung waren das hier Lappalien.
„Alles steht und fällt mit der Konzentration“, dozierte Guido von der Bettkante aus. „Ich will mir nicht vorstellen, was mit einem Menschen geschieht, der die volle unverdünnte Ladung abkriegt.“
Klaus hielt ihm seinen Arm hin. „Rein damit.“ Verdünnt oder nicht. Er brauchte schöne Träume, die nichts mit blutigem Morgenauswurf zu tun hatten. Und wenn er morgen früh als Godzilla aufwachte, war die bescheuerte Krankenschwester in der Pflicht, sich darum zu kümmern.
***
Ian kauerte auf dem Beifahrersitz. Während der Fahrt hatte er kein Wort gesagt. Ein fast neunstündiges Schweigen hatte Samuel noch nie bei seinem Bruder erlebt. Er legte Ian die Hand in den Nacken, nur um ihm zu zeigen, dass er nicht allein auf der Welt war.
„Kannst du bei mir bleiben?“ Ians Stimme klang dünn. „Nur ein paar Tage. Ich muss verdauen, dass
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