Schlangenhaus - Thriller
im Dorf hätte. Wenn die Leute also ihre Schlösser nicht ausgewechselt haben und diese Schlüssel immer noch im Haus der Witchers rumliegen, dann könnte das vielleicht erklären, wie hier jemand in die Häuser rein- und wieder rauskommt.«
Sally verabschiedete sich und legte auf. Es waren noch zwei weitere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Eine vertraute und höchst unverwechselbare Stimme ließ sich vernehmen: »Clara, Sean North hier. Wir haben jetzt Donnerstag, acht Uhr morgens …«
Um acht Uhr morgens hatte ich mich bereits in Polizeigewahrsam befunden. Ich fragte mich, wann Sean wohl erfahren hatte, dass er ebenfalls als Verdächtiger galt. »Können Sie mich zurückrufen?«, fuhr er fort. »Es gibt da etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen möchte. Oder kommen Sie einfach vorbei, ich bin heute den ganzen Tag zu Hause, und morgen größtenteils auch. Bis dann.«
Ich drückte die Taste für die letzte Nachricht.
»Miss Benning, hier ist Denise Thompson vom Paddocks Hospiz. Es tut mir sehr leid, dass ich mich erst jetzt melde, aber wir hatten hier ein paar Notfälle, und ich fürchte, Ihre Anfrage ist unter ein paar Akten gerutscht. Jedenfalls, Sie haben sich nach einem Patienten erkundigt, nach Walter Witcher. Besuchszeit ist vormittags von zehn bis zwölf und nachmittags von zwei bis vier. Allerdings geht es Walter schon seit einiger
Zeit nicht gut. Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber ich glaube, wenn Sie ihn sehen möchten, sollten Sie bald kommen.«
38
Ich nahm die Schlüssel von Mums altem Auto vom Haken und steckte auch den für die Garage ein, die einen halben Kilometer vom Haus entfernt war. Parken war auf unserer belebten Straße immer ein Problem gewesen, und als wir schließlich alle vier ein Auto besaßen, brauchten wir noch eine zusätzliche Unterstellmöglichkeit.
Ich lief durch den Garten, öffnete das Tor und ging dann das schmale Flussufer entlang, bis ich in den nächsten Garten treten konnte. Dann huschte ich über den Rasen unseres Nachbarn und schlüpfte durch eine kleine Pforte auf die Straße hinaus. Ich konnte Bewegung in dem Polizeiauto ausmachen. Rasch duckte ich mich in eine Seitenstraße und erreichte die Garage.
Gut eine Stunde später hielt ich an. Die Flut war aufgelaufen und fünfzig Meter unter mir hörte ich Wellen gegen die Felsen schlagen. Das kleine Haus schien im Dunkeln zu liegen, doch mir war, als könne ich dahinter Licht flackern sehen. Ich ging ums Haus herum; meine Schritte scharrten auf dem Kiesweg. Ein Holztisch und zwei Stühle standen auf dem Gras im hinteren Teil des Grundstücks. Auf dem Tisch brannte ein Windlicht. Es war ein kleiner Garten, vielleicht zwanzig Meter Rasenfläche, dann kam ein niedriger Zaun und dann der Rand der Steilklippe. Der hochgewachsene Mann, der an dem Tisch saß, sah zu, wie ich näher kam. Als ich nahe genug war, um das Mondlicht in seinen Pupillen schimmern zu sehen, sprach er mich an.
»Ich soll nicht mit Ihnen reden.« Er hob eine kleine Flasche an die Lippen und trank.
»Das haben sie mir auch gesagt«, gestand ich.
Er hielt die Flasche hoch. »Was zu trinken?«
»Sie sind gar nicht am Samstagmorgen aus Indonesien gekommen«, entgegnete ich. »Sondern aus Papua-Neuguinea. Die Polizei weiß, dass der Taipan von dort kommt.«
Sean lehnte sich noch weiter auf seinem Stuhl zurück. »Das wissen die nur, weil ich das Vieh selbst identifiziert habe. Es macht eigentlich keinen Unterschied, von wo ich abgeflogen bin. Man kann heutzutage keine lebenden Reptilien mehr im Flieger einschmuggeln.« Wenn Sean schuldig war, so war er ungemein gut darin, es sich nicht anmerken zu lassen.
»Waren Sie also in Papua-Neuguinea?«, wollte ich wissen.
»Ja. Ich war dort zehn Tage mit meinem Regisseur zusammen, wir haben meine nächste Serie geplant. Sechs Folgen, alles in allem, alle auf den Inseln.«
»Warum behaupten Sie dann, Sie waren in Indonesien?«
Sean seufzte. »Da gibt es so einen Typen in den Vereinigten Staaten, ist auch Herpetologe, der mir schon seit Jahren hinterherschnüffelt. Jedes Mal, wenn der von einem Projekt Wind bekommt, das ich plane, versucht er, sich als Erster da reinzudrängen. Natürlich macht er alles auf die billige Tour, also kann er seine Mannschaft viel schneller aufstellen als ich. Er macht beschissene Dokus, aber wenn er ein Thema abgehandelt hat, hat es nicht mehr viel Sinn, dass ich da rangehe. Deshalb der vorgetäuschte Indonesientrip. Hab nur versucht, ihn von meiner Fährte
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