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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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wenn Sie so wollen – fassen die Schlangen selbst nicht an, aber ich glaube, sie kommen der Sache am nächsten.«
    »Weiter.«
    »Gnostische Kirchen betonen das Lernen durch persönliche Erfahrung. Und es ist für sie sehr wichtig, Verbindung zu etwas aufzunehmen, das sie das Pleroma nennen.«
    »Sean, so langsam komme ich nicht mehr mit.«
    Mittlerweile konnte ich sein Gesicht kaum noch erkennen, doch ein Glitzern in seinen Augen verriet mir, dass er abermals lächelte. »Nicht schwächeln«, befahl er. »Das Pleroma repräsentiert
alles, was in unserem Universum göttlich ist; eine Art innerer Kern im Herzen aller Dinge. Wenn man sich das Pleroma erschließt, kann man das Göttliche in allen Dingen sehen und erfahren. Meine Theorie ist, dass diese erfolgreichen snake handler die Göttlichkeit erleben, die der Schlange innewohnt. Genau wie unzählige andere Kulturen überall auf der Welt es getan haben. Deswegen passiert ihnen nichts.«
    »O Mann.«
    Jetzt grinste er mich an. »Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
    »So allmählich wünsche ich mir, ich hätte nicht gefragt. Sie wollen mir also erzählen, dass die snake handler sich, ohne es zu wissen, irgendeine Form von kosmischer, göttlicher Energie zunutze machen, die in den Schlangen existiert?«
    »Ich hab doch gewusst, dass Sie’s irgendwann kapieren.«
    »Ach, kommen Sie…«
    »Clara, es sind ausschließlich die westlichen Zivilisationen, und dort vor allem die judäisch-christlichen Religionen, in denen die Schlange als böse angesehen wird. Nennen Sie mir irgendeine andere Kultur – hinduistisch, griechisch, nordisch, die der nordamerikanischen Ureinwohner –, und die Schlange wird dort öfter in der Mythologie auftauchen als so ziemlich jedes andere Tier auf dem Planeten, und fast immer als positive Macht. Sie steht für Weisheit, Unsterblichkeit, Leben, Fruchtbarkeit, Wissen.«
    Mein Gehirn konnte nicht mehr viel aufnehmen. »Es sind doch nur Schlangen, Sean. Reptilien ohne Beine.«
    Sean schüttelte den Kopf. »Und warum bauen dann Kulturen überall auf der ganzen Welt eine Schlange in ihren Schöpfungsmythos ein? Es gibt zig Götter, die in Schlangengestalt dargestellt werden. Quetzalcoatl in Mittelamerika, Aidophedo in Westafrika; in Kambodscha findet man Steinskulpturen von Schlangen, die Tempel bewachen. Oh, und da gibt es einen griechischen Mythos, in dem von Asklepios die Rede ist, der seine zahmen Schlangen über die Leiber der Kranken hat kriechen lassen, damit sie sie gesund lecken.«

    »Das ist doch eklig.«
    »Derselbe Mythos erzählt von Menschen, die wieder hören oder sehen konnten, nachdem ihre Augen oder ihre Ohren von einer Schlange abgeleckt worden waren. Was glauben Sie, warum eine Schlange eines der Symbole der modernen Medizin ist?«
    Ich seufzte. »So faszinierend das alles auch ist, es hilft mir nicht dabei, herauszufinden, warum unsere Dorfkirche abgebrannt ist.«
    »Ah, gut, dass Sie das erwähnen. Denn ungeachtet dessen, was Sie vielleicht in der Genesis gelesen haben, ist die Schlange überall in der christlichen Lehre als positives Symbol zu finden.«
    »Wo?«
    »Im Johannesevangelium. Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.«
    »Das ist ein bisschen nebulös.«
    »Viertes Buch Mose. Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.«
    »Immer noch nicht –«
    »Im Matthäusevangelium. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.«
    »Okay, okay, ich hab’s begriffen.«
    »Sie haben doch bestimmt schon mal von Gematrie gehört, von der Technik, Buchstaben Zahlen zuzuordnen und den numerischen Wert eines Wortes zu ermitteln?«
    »Hmm«, machte ich. Noch nie, aber meine Bereitschaft, wie ein Idiot dazustehen, hatte Grenzen.
    »Wenn man die hebräische Gematrie verwendet, ist der numerische Wert für das Wort Schlange 358. Raten Sie mal, was der Wert des Wortes Messias ist.«
    Es hatte keinen Sinn, das Unvermeidliche hinauszuschieben. »358, richtig?«
    »Jep. Waren Sie schon mal in Mailand?«

    »Nein.«
    Er stand auf. »Kommen Sie mit nach drinnen. Ich muss Ihnen etwas zeigen.«
    Mittlerweile vollkommen verwirrt, wartete ich, bis Sean die beiden Bierflaschen nahm, und folgte ihm dann ins Haus. Wir gingen durch die Küche und wandten uns dann nach rechts. Am Ende des Flurs stieß er eine Tür auf und bedeutete mir mit einer Geste, einzutreten. Es war

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