Schlangenjagd
heißen Leitungsrohren in Berührung kam.
Die Druckwelle war um etliches größer als die des explodierenden Lastwagentanks in Walvis Bay, und hätten er und Sloane das Boot nicht hinter sich gelassen, so wären sie von ihrer Wucht zerrissen worden. Sie paddelten ziemlich hilflos in den aufgewühlten Wellen, die sich vom Explosionszentrum wegbewegten. Dabei husteten sie heftig und spuckten Wasser aus, das sie versehentlich geschluckt hatten.
Wassertretend, um mit dem Kopf über Wasser zu bleiben, streckte er die Hand nach ihr aus, um sich zu vergewissern, dass sie nicht verwundet war.
»Erkundigen Sie sich jetzt bloß nicht, ob ich okay bin«, brachte sie mit einiger Mühe hervor. »Das haben Sie mich seit gestern mindestens ein Dutzend Mal gefragt.«
»Es waren aufregende vierundzwanzig Stunden«, gab Juan zu und streifte mit den Füßen seine Schuhe ab. »Wir müssen uns so weit wie möglich von dem Boot entfernen. Es dürfte so gut wie sicher sein, dass sie jemanden herschicken, um nachzuschauen.«
»Könnte es sein, dass ich weiß, wo wir hinwollen?«
»Ich denke, es wird Zeit für einen Ritt auf Papa Heinricks Schlange.«
Obwohl eine Schwimmstrecke von knapp zwei Kilometern für zwei Erwachsene, die körperlich gut in Form waren, keine unlösbare Aufgabe darstellte, behinderte der Kampf gegen die Wellen, die sie überrollten, jede andere Bewegung. Es wurde sogar noch schwieriger, als sich ihnen eine weiße Luxusjacht, die mit jener identisch war, die die
Pinguin
gejagt hatte, näherte und das zyklopenhafte Auge eines Suchscheinwerfers durch die zunehmende Dunkelheit schnitt. Es war das Boot, das Juans Neugier anfangs geweckt hatte, aber eigentlich fesselte das, woran das Boot festgemacht war, seine Aufmerksamkeit noch mehr.
»Die Jacht muss ein Sonderangebot gewesen sein, ganz nach dem Motto: ›Beim Kauf von einer bekommen Sie eine zweite geschenkt‹«, sagte Juan.
»Solche Angebote kenne ich nur aus dem Supermarkt, und dort gelten sie allenfalls für Kartoffelchips«, witzelte Sloane.
Nachdem sie eine Viertelstunde lang schwimmend eher ziellos herumgeschwommen waren, um dem kräftigen Lichtstrahl des Suchscheinwerfers zu entgehen, rauschte die große Jacht in die Dunkelheit davon und lieferte Juan einen Hinweis, welche Richtung er einschlagen musste. Allerdings hatte er keine Sekunde lang angenommen, dass er ihr Ziel verfehlen könnte.
Das kalte Wasser begann sich kräftezehrend bemerkbar zu machen. Um ihnen ihre Aufgabe zu erleichtern, reichte Juan Sloane seine Glock und sein Satellitentelefon und streifte seine Hose ab. Er band die Hosenbeine jeweils am Saum zu und hielt den offenen Einstieg so in den Wind, dass sich die Hose mit Luft füllte. Dann zog er sie schnell mit dem Gürtel zu. Er tauschte mit Sloane die behelfsmäßige Schwimmhilfe gegen seine Pistole und sein Satellitentelefon ein. »Achten Sie nur darauf, mit einer Hand den Hosenbund zusammenzuhalten, damit nicht zu viel Luft herausdringt.«
»Ich habe schon mal von dieser Technik gehört, aber noch nie gesehen, wie sie eingesetzt wird.«
Noch klapperte Sloane nicht mit den Zähnen, aber ihrer Stimme war die Anstrengung inzwischen deutlich anzuhören. Juan erwiderte: »Es war viel einfacher, das Ganze in einem Swimmingpool zu üben.« Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um ihr zu erzählen, dass ihm dieses Manöver schon mehr als einmal das Leben gerettet hatte.
Unterstützt durch die mit Luft gefüllte Hose schwamm Sloane viel kräftiger und schneller. Und als sie sich ihrem Ziel näherten, wirkten seine enormen Ausmaße wie eine Art Wellenbrecher.
»Spüren Sie das?«, fragte Sloane.
»Was denn?«
»Das Wasser, es ist wärmer.«
Einen Moment lang befürchtete Juan, dass sich Sloanes Körper nicht länger gegen die Kälte wehrte, sondern sich ihrem eisigen Griff ergab. Aber dann spürte er es ebenfalls. Das Wasser wurde wärmer, und nicht nur um ein oder zwei Grad, sondern mindestens um fünf oder sechs. Er fragte sich, ob irgendein aktiver geothermischer Kamin für einen solchen Temperaturanstieg verantwortlich sein konnte. Konnte das am Ende auch eine Erklärung für das riesige Gebilde sein, das auf den Wellen trieb? Machte es sich irgendwie seine Energie zu Nutze?
Was Papa Heinrick als Schlange aus Metall bezeichnet hatte, war in Wirklichkeit eine mattgrüne Röhre mit einem, wie Juan schätzte, Durchmesser von etwa zehn Metern, von denen nur zwei aus dem Wasser ragten. Die Röhre war nicht fest und starr, sondern sie
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