Schlangenjagd
bog sich auf der gesamten Länge mit jeder Welle, die darunter hinwegrollte. Er kam zu dem Schluss, dass seine frühere Vermutung, das Gebilde sei mehr als dreihundert Meter lang, durchaus zutraf.
Das Wasser hatte eine Temperatur von etwa fünfundzwanzig Grad Celsius, als sie die Röhre schließlich erreichten. Juan legte eine Hand auf die metallene Hülle und stellte fest, dass sie sich warm anfühlte. Außerdem konnte er die Vibrationen der Maschinen innerhalb des Gebildes spüren – massive Kolben, die mit jedem Wogen der See hin und her schwangen.
Sie schwammen an der Flanke der Röhre entlang und hielten dabei genügend Abstand, um von den Wellen nicht dagegengeworfen zu werden. Nach knapp siebzig Metern erreichten sie eine der Gelenkverbindungen. Der Klang der Maschinen war lauter, während der Mechanismus die Bewegung der Wellen in irgendeine Form von Energie umwandelte. Stufen waren auf die Oberfläche der Röhre geschweißt worden, um Arbeitern Zugang zu der massiven Gelenkkonstruktion zu gestatten. Juan ließ Sloane vorausklettern. Als er zu ihr aufschloss, hatte sie seine Hose geglättet und säuberlich zusammengefaltet.
Sie atmete zischend ein. Es war hell genug für sie, um zu erkennen, dass das Bein unter seinem rechten Knie aus einer Prothese bestand. »Tut mir leid, das war ziemlich unsensibel«, flüsterte sie. »Ich hatte keine Ahnung. Sie humpeln gar nicht.«
»Ich habe mich im Laufe der Jahre daran gewöhnt«, erwiderte Juan und klopfte gegen die Titanstrebe, die als Schienbein diente. »Der Schuss, der vor ein paar Jahren das Bein traf, war das Abschiedsgeschenk der chinesischen Marine.«
»Ich muss mir
unbedingt
Ihre Lebensgeschichte anhören.«
Juan verdrängte die Frage, wie George Adams die Röhre hatte übersehen können, als er die Gegend mit dem Helikopter der
Oregon
überflogen hatte. Stattdessen stellte er sich auf die praktischen Anforderungen ihrer aktuellen Situation ein. Er und Sloane waren verwundbar und ständig in Gefahr, solange die Männer auf der Jacht, die am Ende der Röhre lag, ihren Aktivitäten unbehelligt nachgehen konnten. Daher gab es keine andere Option.
Er schlüpfte in seine Hose und fand eine Luke in der oberen Wölbung der Röhre. Er öffnete sie und stellte fest, dass sich darunter eine zweite Luke befand. Das würden sie sich später noch ansehen. Er verstaute den Beutel mit dem Satellitentelefon in dem freien Raum zwischen den Luken, schloss die äußere und verriegelte sie.
Er griff nach Sloanes Hand, damit sie ihm in die Augen sah. »Ich kann es mir nicht leisten, Gefangene zu machen, da ich nicht weiß, wie lange wir hier draußen festhängen. Verstehen Sie?«
»Ja.«
»Sie können hierbleiben, wenn Sie wollen, aber ich befehle es Ihnen nicht.«
»Ich komme mit Ihnen und sehe, wie ich mich fühle, wenn wir näher herangekommen sind.«
»Wenigstens sind Sie ehrlich. Gehen wir.«
Die ersten hundertachtzig Meter konnten sie geduckt gehen, um von der Jacht nicht gesehen zu werden, aber als sie näher herankamen, wies Juan Sloane an, auf den Bauch runterzugehen, und gemeinsam robbten sie über die sich windende Röhre, wobei sie sich gelegentlich, wenn eine besonders hohe Welle die Röhre etwas heftiger herumpeitschen ließ, an die glatte Oberfläche klammern mussten.
Juan, der in seinem ganzen Leben niemals so etwas wie Seekrankheit kennengelernt hatte, empfand diese Art von Bewegung als ausgesprochen unangenehm und Übelkeit erregend. Auch Sloane sah ziemlich mitgenommen aus.
Etwa zwanzig Meter von der Jacht entfernt, rutschten sie auf Juans Geheiß so von der Oberseite der Röhre herunter, dass die Wölbung sie vor der Jacht verbarg, bis sie sich ihr auf drei bis vier Meter genähert hatten. Sie konnten die Jacht deutlich sehen und erkennen, dass sie an eine Art Pier angebunden war, der wiederum an der Seite eines Röhrensegments befestigt schien. Schwere Gummifender verformten sich und knarrten, um alles auf Distanz zueinander zu halten. Helles Licht drang aus den Fenstern der Jacht, während auf der Brücke ein Wächter als Silhouette vor dem grünen Schimmer eines Radarschirms zu erkennen war. Außerdem konnten sie einen Raketenwerfer ausmachen, der auf dem langgestreckten Vordeck auf einer dreibeinigen Lafette ruhte.
Wäre dies eine Operation der Corporation gewesen, Juan hätte die gesamte Truppe wegen mangelhafter Disziplin auf der Stelle gefeuert. Die Jacht war aus zwei Kilometern Entfernung zu sehen, und ein Beobachter konnte sich vor
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