Schlangenjagd
ihren Nacken spürten.
Während der ersten Kilometer schlug H.A. einen stetigen Trab an, der ihren Vorsprung vor den sie verfolgenden Hereros alle drei Kilometer um jeweils einen Kilometer vergrößerte. Die Sonne briet die Erde und trocknete ihren Schweiß, sobald er ihnen aus den Poren drang. Im Schutz seines breitkrempigen Hutes musste H.A. die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen, um nicht vom grellen Glanz der Sonne, der von den Dünen reflektiert wurde, geblendet zu werden.
Unter einem Sonnensegel Rast zu machen, während sich die Kalahari in einen Ofen verwandelte, war schon schlimm genug, aber die öde Wüste unter ihren brutalen Strahlen zu durchqueren, schien das Schlimmste überhaupt zu sein, was H.A. je in seinem Leben getan hatte. Die Hitze und das Licht konnten einen in den Wahnsinn treiben, und es fühlte sich an, als würde die Flüssigkeit in seinem Kopf bald kochen. Der gelegentliche Schluck Wasser bewirkte nicht viel mehr, als seine Kehle zu verbrühen und ihn an seinen quälenden Durst zu erinnern.
Die Zeit verlor ihre Bedeutung, und Ryder musste seine gesamte Konzentration aufbringen, um daran zu denken, ab und zu auf seinen Kompass zu blicken, um auf westlichem Kurs zu bleiben. Bei so wenigen auffälligen Landmarken, an denen er sich hätte orientieren können, beruhte seine Navigation mehr auf reiner Vermutung als auf Wissenschaft. Doch sie ritten weiter, da sie keine andere Wahl hatten.
Ebenso wie die Sonne war der Wind ihr ständiger Begleiter. H.A. schätzte, dass sie nicht mehr als dreißig Kilometer vom Südatlantik entfernt waren, und hatte eigentlich mit einem Seewind gerechnet, der ihnen ins Gesicht blies. Doch dieser Wind kam von hinten und trieb sie regelrecht vor sich her. Ryder betete im Stillen, der Kompass möge nicht beschädigt sein – und dass die Nadel sie nicht noch tiefer ins Innere der kochenden Wüste hineinführte. Ständig kontrollierte er das Instrument und war dabei froh, dass die Männer derart schachmatt waren, dass niemand den sorgenvollen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte.
Der Wind nahm zu, und als er sich umdrehte, um nach seinen Männern zu sehen, fiel ihm auf, dass die Dünenkämme weggeweht wurden. Sandwolken flogen von Kamm zu Kamm. Sand prasselte auch in sein Gesicht und brachte die Augen zum Tränen. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Sie waren in der richtigen Richtung unterwegs, der Wind aber nicht. Wenn sie jetzt von einem Sandsturm überrascht wurden und keinen ausreichenden Schutz fänden, war die Chance, dass sie alle überlebten, äußerst gering.
Er überlegte, ob er anhalten sollte, um einen Unterschlupf zu errichten. Dabei wog er die Wahrscheinlichkeit eines heftigen Sturms, ihre Nähe zur Küste und die vom Wunsch nach Rache getriebene Armee hinter ihnen, die nicht eher Ruhe geben würde, als bis der letzte Angehörige ihrer Gruppe tot wäre, gegeneinander ab. Er kehrte dem Wind wieder den Rücken zu und trieb sein Pferd weiter. Trotz seiner mäßigen Geschwindigkeit war das Tier immer noch schneller als jemand, der zu Fuß unterwegs war.
H.A. erreichte ganz plötzlich den Kamm einer weiteren konturlosen Düne und sah, dass dahinter keine weitere mehr folgte. Fast wäre er vom Pferd gefallen. Vor ihm breiteten sich die schiefergrauen Fluten des Südatlantik aus, und zum ersten Mal nahm er seinen scharfen Salzgeruch wahr. Anrollende Wellen verwandelten sich in weiße Gischt, während sie sich auf den breiten Strand ergossen.
Er ließ sich langsam aus dem Sattel rutschen, seine Beine und sein Rücken flammten nach dem langen Ritt in einem einzigen Schmerzinferno auf. Er hatte nicht mehr die Kraft, einen Freudenruf auszustoßen, daher blieb er unbeweglich neben seinem Pferd stehen, auf den Lippen schwebte ihm der Anflug eines Lächelns, während sich die Sonne anschickte, im dunklen Ozean zu versinken.
»Was ist los, H.A.? Warum bleiben Sie stehen?«, rief Tim Watermen, als er noch zwanzig Meter hinter ihm war und sich die letzte Düne hinauf kämpfte.
Ryder blickte zu der sich mühsam im Sattel haltenden Gestalt hinab und sah, dass Tims Bruder nicht allzu weit zurückhing. Noch ein wenig weiter entfernt klammerte sich der junge Smythe an den Hals seines Pferdes, das den Spuren seiner vierbeinigen Leidensgenossen folgte. Jon Varley war noch nicht zu sehen. »Wir haben es geschafft.«
Das war alles, was er sagen musste. Tim gab seinem Pferd für den letzten Rest des Anstiegs die Sporen und stieß einen triumphierenden Schrei aus,
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