Schlangenjagd
Bett hieven musst, wenn du erst mal sechzig bist.«
Juan lachte verhalten. »Und mit diesem Bild vor den Augen muss ich in den Kampf ziehen – na, super!«
»Viel Glück.«
»Danke. Wir sehen uns in zwei Stunden.«
»Ich stelle schon mal Bier für dich kalt.«
»Wir werden zu viert sein, also nimm lieber gleich einen Kasten.« Juan unterbrach die Verbindung.
Mafana kam zu ihm, während sich Cabrillo hinsetzte und damit begann, die Plastikschale aus seinem Fallschirmsack an der Beinprothese zu befestigen. Die Knoten waren recht stabil, wenn auch nicht so widerstandsfähig wie eine Schweißnaht. Aber für das, was er im Sinn hatte, reichte es allemal.
»Sind Sie bereit?«, erkundigte sich der ehemalige Rebell. »Bis zum Morgengrauen dauert es nur noch knapp eine Stunde, und wir brauchen einige Zeit, um in Stellung zugehen.«
Juan erhob sich. »Ich bin zu allen Schandtaten bereit.«
Mit Mafanas Hilfe stakste Cabrillo zum Fallschirm. Entsprechend seiner Anweisungen hatten Mafanas Männer den schwarzen Nylonstoff in der Wüste ausgebreitet und die Ränder mit Sand beschwert, um zu verhindern, dass der Wind den Schirm wegwehte. Ehe er sich in das Geschirr schnallte, schwang sich Juan einen Rucksack voller Raketen für den RPG so auf die Schulter, dass er vor seiner Brust hing. Darunter waren das Rohr des Raketenwerfers und seine MP-5 befestigt. Er hatte sich bereits die Stelle angesehen, wo einer der Afrikaner den Schnitt zugenäht hatte, der gemacht worden war, um ihn aus seiner unfreiwilligen Fesselung zu befreien, daher gab es für ihn nichts mehr zu tun, als die bohrende Spannung in seiner Magengegend zu ignorieren.
»Wir warten auf Ihr Signal«, sagte Mafana und schüttelte Cabrillo die Hand. »Heute Nacht helfen Sie mit, eine Nation zu retten.«
Die afrikanischen Rebellen trabten zu ihren Wagen zurück, die in vierhundert Metern Entfernung warteten. Der Klang anspringender Motoren brandete Sekunden später auf. Juan überprüfte ein zweites Mal die Knoten, während er wartete und sich in Erwartung des bevorstehenden heftigen Rucks ein wenig nach hinten lehnte.
Zum Glück für ihn betätigte der Fahrer das Gaspedal nur sehr vorsichtig. Die knapp siebenhundert Meter Nylonschnur, die sie zusammengeknüpft hatten, strafften sich, als der Lastwagen anruckte. Cabrillo lehnte sich noch weiter zurück, als das Seil, das um seine Brust geschlungen war, Zug bekam. Die Plastikschale, mit der er quer durch die Wüste gesegelt war, begann über den Sand zu zischen, als der Lastwagen beschleunigte. Der Fallschirm schüttelte den Sand ab, der sich auf ihm gehäuft hatte, und als sie eine Geschwindigkeit von etwa zwanzig Stundenkilometern erreichten, begann sich die Stoffkappe mit Luft zu füllen. Sie sprang regelrecht vom Wüstenboden hoch und straffte Cabrillos Fangleinen. Aber sie waren noch nicht schnell genug unterwegs, um den Auftrieb zu erzeugen, der nötig war, um ihn in die Luft steigen zu lassen.
Weil die Leine so lang war, wusste Juan, dass – wenn er jetzt stürzte – der Fahrer nicht sehen würde, dass er nicht mehr auf den Beinen war. Er würde dann über den Boden geschleift, bis es ihm gelänge, sich irgendwie von dem Schleppseil zu befreien. Um das Gleichgewicht zu halten, musste er sich tief bücken, während der Lastwagen stetig schneller wurde und die Spannung der Fangleinen von Sekunde zu Sekunde zunahm.
Juan schwenkte nach links, um einem großen Stein auszuweichen, kollidierte beinahe mit einem anderen und drohte auf den Rücken zu fallen, als die Platte unter ihm wegrutschte. Er hob beide Beine vom Erdboden hoch, um den Ski wieder unter seinen Körper zu ziehen. Dabei verließ er sich darauf, dass ihm der teilweise aufgeblähte Schirm eine kurze Gnadenfrist verschaffte. Seine Aktionen führten beinahe dazu, dass er wieder in sich zusammensank, doch schließlich schaffte er es, auf den Füßen zu bleiben und sein Gleichgewicht wiederzufinden.
Der Lastwagen erreichte dreißig Stundenkilometer, dann vierzig. Juans Beine und Knie waren ein einziger brennender Schmerz, und plötzlich fühlte er gar nichts mehr. Er flog.
Genügend Luft strömte über die Schirmkappe, um sein Gewicht und das seiner Ausrüstung zu tragen. Der Truck nahm mehr Tempo auf, und Juan stieg höher. Schon bald zeigte der Höhenmesser an seinem Handgelenk neunzehnhundert Fuß. Der Flug war berauschend.
»Fallschirmspringen, Paraskiing, Parasailing.« Er lachte. »Und das alles an einem einzigen Tag!«
Mit seinem
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