Schlangenjagd
bin drin.«
»Wir haben nicht weniger erwartet. Natürlich habe ich in Cabo schon siebzigjährige Großmütter beim Parasailing gesehen, deshalb bin ich nicht allzu beeindruckt.« Ihr lockerer Ton verflüchtigte sich. »Tiny ist vor einer Viertelstunde gestartet. Er bleibt bis eine Viertelstunde nach Sonnenaufgang außer Reichweite. Danach solltest du mit Linc über unser taktisches Funknetz kommunizieren können.«
Es bestand keine Notwendigkeit für Cabrillo, seinen Standort möglicherweise durch allzu lautes Reden zu verraten, daher sagte er nichts mehr.
»Ich will dir nur noch viel Glück wünschen«, fügte Linda hinzu, »und hol unsere Jungs dort raus.
Oregon
Ende.«
Juan schaltete das Telefon aus und verstaute es im Hardcase an seiner Hüfte.
Die drei Wächter, die am vorderen Tor herumlungerten, nahmen zwar keine Habachthaltung an, aber zumindest wurden sie etwas wachsamer, als sich die Tür direkt unter Juans augenblicklichem Standort öffnete. Umgeben von Brustwehren und Zinnen wie in einer mittelalterlichen Burg, hatte Juan ausreichend Deckung, während er beobachtete, wie eine einsame Gestalt mit einer Taschenlampe in der Hand den Innenhof überquerte. Sie unterhielt sich einen Augenblick lang mit einem der Wächter, dann kehrte sie dorthin zurück, woher sie gekommen war.
Die volle Kraft der Sonne traf Juans Rücken, während sie sich endlich über den Horizont erhob. Trotz der langen Schatten konnte er drei Holzpfähle erkennen, die vor der Mauer links neben dem Haupttor in die Erde gerammt worden waren. Ehe das Licht den rundum geschlossenen quadratischen Hof durchflutete, holte Juan sein kleines Klappmesser aus der Tasche und schleuderte es mit einer lässigen Bewegung aus dem Handgelenk zu den Exekutionspfählen hinüber. Es landete und rutschte dicht an den mittleren Pfosten heran. Es war der Großvater gewesen, der ihm nicht nur sein erstes Messer geschenkt, sondern außerdem auch noch das Hufeisenwerfen beigebracht hatte.
Während Juan den Raketenwerfer einsatzfertig machte, traten Männer auf den Paradeplatz, zuerst einzeln und zu zweit, aber dann strömten sie schon zu Dutzenden herein. Er erkannte an ihrer Körpersprache und der Art und Weise, wie sie herumalberten, dass sich die Soldaten auf das Schauspiel der Exekution freuten. Er schätzte, dass sich inzwischen etwa einhundert Männer eingefunden hatten. Unglücklicherweise hatten mehr als die Hälfte ihre Waffen bei sich. Stimmengewirr und raues Gelächter drang von unten heraus, bis eine andere Tür lautstark aufgerissen wurde.
Juan musste sich den Hals ziemlich verrenken, um zwei Eskorten sehen zu können, die Eddie, Mike und Ski aus dem Gefängnis herausführten. Er empfand großen Stolz. Seine Leute hatten die Köpfe hoch erhoben, hielten sich gerade und drückten die Brust heraus. Und wären ihre Hände nicht auf dem Rücken gefesselt gewesen, sie hätten im Takt der Schritte auf und ab geschwungen. So gingen sie als tapfere Männer in den Tod.
Er schaltete den Ziellaser seiner Maschinenpistole ein.
Eddie Seng hatte während seiner verdeckten Operationen in China mehr als nur ein paar Hinrichtungen miterlebt, und während diese mit ruhiger Effizienz ausgeführt worden waren, machte der Wachkommandant hier ein Schauspiel für seine Männer daraus, zweifellos dazu angeregt durch einen Film, der ihm zeigte, wie man so etwas machte.
Wäre er nicht derjenige gewesen, der gefesselt und im Begriff war, vor ein Exekutionskommando gestellt zu werden, er hätte das Absurde dieser Situation mit schallendem Gelächter belohnt.
Er war ein tapferer Mann, tapferer als die meisten, aber er wollte auch nicht sterben, nicht so – machtlos. Seine Gedanken wanderten zu seiner Familie. Obwohl seine Eltern schon seit zwei Jahren tot waren, gab es Dutzende von Tanten und Onkeln in New York und mehr Cousinen, als er zählen konnte. Keiner von ihnen wusste, womit er sich seinen Lebensunterhalt verdiente, oder interessierte sich für seine unregelmäßigen Reisen nach Hause. Sie hießen ihn einfach in ihrer Mitte willkommen, solange er blieb, setzten ihm mehr Köstlichkeiten vor, als er essen konnte, und achteten darauf, dass er sich die Kinder anschaute, die seit seinem letzten Besuch geboren worden waren.
Er würde sie mehr vermissen, als ihm klar war. Aber sie würden gar nicht wissen, dass es ihn nicht mehr gab, nicht bevor Juan mit einem sieben- oder achtstelligen Scheck bei ihnen auftauchte, dem Gegenwert von Eddies Anteil an der
Weitere Kostenlose Bücher