Schlangenjagd

Unbehelligt von den unhygienischen Bedingungen oder dem holperigen Start nahm sie eine Triage vor.
    »Musstest du unbedingt bis zur letzten Sekunde warten?«, fragte Eddie, als Juan herankam. Er grinste.
    Cabrillo schüttelte seine ausgestreckte Hand. »Du weißt doch, was für ein großer Zauderer vor dem Herrn ich bin. Seid ihr okay?«
    »Ein paar graue Haare mehr, aber nichts Schlimmeres. Irgendwann demnächst musst du mir mal erzählen, wie du es geschafft hast, mitten im Nichts eine Armee auf die Beine zu stellen.«
    »Große Zauberer bewahren ihre Geheimnisse.«
    Das Flugzeug nahm weiter Geschwindigkeit auf und war bald schneller als der Wagen der Wächter. Durch die offene Ladeklappe konnte Juan beobachten, wie sie ein paar hilflose Schüsse abfeuerten, ehe der Fahrer scharf bremste und wendete, um sich an der Jagd auf den Rest von Mafanas Männern zu beteiligen. Ein dritter und kurz danach auch noch ein vierter Truck kamen durch das Gefängnistor und nahmen die Verfolgung auf.
    Tiny zog den Steuerknüppel nach hinten, und die alte
Caribou
hob von dem rauen Flugfeld ab. Die Vibrationen, die sich gesteigert hatten, bis Juan sicher war, dass ihm jeden Moment eine Füllung aus den Zähnen fallen würde, ließen nun schlagartig nach. Eingedenk der Tatsache, dass die Rampe offen bleiben musste, wurden die Patienten weiter nach vorn gebracht, sodass der hintere Bereich des Frachtraums frei blieb. Linc stand auf der Rampe, gesichert mit einer Leine, die sich von einem Ringbolzen am Fußboden zum Rücken seiner Kampfjacke spannte. Er trug einen Helm mit Mikrofon, um mit Tiny im Cockpit kommunizieren zu können. Vor ihm stand eine lange Kiste.
    Juan klinkte sich ebenfalls ein und näherte sich vorsichtig dem athletischen SEAL. Heißer Wind fegte durch die Kabine, während Tiny das Flugzeug auf die Seite legte, um sich hinter die Lastwagen der Wächter zu setzen. Mit ihren neueren Trucks hatten sie bereits die Hälfte des Vorsprungs aufgeholt, den Mafanas Leute herausgefahren hatten.
    Die Lastwagen näherten sich einem tiefen Tal zwischen zwei hoch aufragenden Dünen, als das Flugzeug über die beiden Fahrzeuggruppen hinwegraste. Sie waren weniger als einen Kilometer voneinander entfernt. Tiny blieb auf tausend Fuß Höhe, während er über die Länge des Tals flog. Aber schon nach einem kurzen Moment war das Tal zu Ende. Anstatt sich wieder zur Wüste zu öffnen, war es nur fünf Kilometer lang und eine Sackgasse. Sein Abschluss war eine schräg abfallende Düne, die so steil schien, dass die Trucks bis auf Gehtempo abbremsen mussten, um auf ihren Kamm zu gelangen.
    »Bring uns wieder zurück«, rief Linc in sein Mikro. »Und flieg wieder von hinten an.«
    Er winkte Mike und Eddie zu, ihm zu helfen. Die beiden Männer sicherten sich schnell und lehnten sich zur Seite, um das Gleichgewicht zu behalten, während das Flugzeug eine enge Kurve flog. Linc öffnete die Kiste. Darin befanden sich noch weitere vier von Mafanas RPGs. Sie waren auch der Grund, weshalb Juan einen von Mafanas Männern zu Linc geschickt hatte.
    Linc reichte jedem von ihnen einen der Granatwerfer.
    »Das wird aber ein ganz besonderes Schützenfest«, rief Mike skeptisch. »Vier Trucks. Vier RPGs. Wir machen über zweihundert Sachen und sie höchstens neunzig.«
    »Oh, ihr Ungläubigen!«, rief Linc zurück.
    Das Flugzeug glich seine Lage am Eingang des Tales wieder aus. Tiny brachte sie ein Stück herunter, indem er heißen Aufwinden vom Wüstenboden entgegensteuerte. Die Dünen rasten in einem Abstand von höchstens dreißig Metern an den Tragflächenenden vorbei. Linc lauschte dem Piloten, während er abzählte, wie lange es dauerte, bis sie sich über den Trucks der Wächter befanden. Als er den RPG an die Schulter legte, folgten die anderen drei seinem Beispiel.
    Er deutete auf Juan und Ski. »Zielt auf die Basis der Düne links vom Konvoi. Mike und ich nehmen die rechte Seite. Setzt die Granaten etwa zwanzig Meter vor das führende Fahrzeug.«
    Tiny ging noch tiefer herunter und zog die Maschine gleich wieder hoch, als es von unten beschossen wurde. Er richtete die
Caribou
aus, als sie den letzten Truck des Konvois passierten. Für eine flüchtige Sekunde blickten Juan und seine Gefährten auf den Konvoi, und es schien, als ob jedes Gewehr, das die Wachen zur Verfügung hatten, wie wild auf sie feuerte.
    »Jetzt!«
    Sie zündeten die RPGs gleichzeitig. Die vier Raketen schossen aus ihren Röhren und starteten. Ihre weißen Kondensstreifen