Schlangenjagd
schnell erholen. Moses ist ganz schlimm dran. Der menschliche Fuß besitzt sechsundzwanzig Knochen. Ich habe auf der Röntgenaufnahme achtundfünfzig einzelne Knochenfragmente gezählt, ehe ich es aufgab. Wenn er seinen Fuß behalten soll, müssen wir ihn innerhalb von zwei Tagen in die Obhut eines orthopädischen Chirurgen geben.«
Cabrillo nickte, sagte jedoch nichts.
»Und wie geht es dir?«, erkundigte sich Julia.
»Ich fühle mich mieser, als ich aussehe«, antwortete Juan mit einem müden Lächeln.
»Dann musst du dich beschissen fühlen, denn du siehst absolut mies aus.«
»Ist das deine offizielle medizinische Diagnose?«
Julia legte ihm eine Hand auf die Stirn – wie eine Mutter, die feststellen will, ob ihr Kind Fieber hat. »Jawohl.« Sie gab ihren Leuten ein Zeichen, Merricks Bahre wegzubringen, und ging zur nächsten Luke. »Ich bin unten, falls du mich brauchst.«
Cabrillo hatte noch etwas auf dem Herzen und konnte nicht fassen, dass er es beinahe vergessen hätte. »Julia, wie geht es Sloane?«
»Bestens. Ich habe sie aus der Krankenstation und aus der Gästekabine ausquartiert, weil ich den Platz brauchte. Und dann habe ich sie sogar als Hilfsschwester eingesetzt. Sie schläft bei Linda. Sie wollte dich oben in Empfang nehmen, aber ich habe sie wieder ins Bett gesteckt. Wir hatten ein paar hektische Stunden, und sie ist immer noch ein wenig schwach.«
»Danke«, sagte Juan erleichtert, während Julia und ihr Team unter Deck verschwanden.
Max tauchte neben ihm auf. Seiner Pfeife entströmte ein Duft von Apfel und Zedernholz. »Da hat sich wohl dein siebter Sinn gemeldet, als du mich batest, Langston anzurufen und ihn um Zugang zu Echelon zu bitten.«
Eine von Juans ersten Handlungen, nachdem er erfahren hatte, dass Geoffrey Merricks Befreiung fehlgeschlagen war, hatte darin bestanden, Max zu bitten, Overholt zu kontaktieren, um sich des Echelon-Programms der NSA bedienen zu dürfen. In jeder Sekunde wurden überall auf der Welt auf elektronischem Weg zig Millionen Daten ausgetauscht: per Mobiltelefon, Netztelefon, Fax, Satellitentelefon, Funkgerät, E-Mail und Web-Posting. In der Zentrale der NSA in Fort Meade waren Legionen von Computern zusammengeschaltet, die nichts anderes taten, als sämtliche Bandbreiten abzugrasen und nach speziellen Phrasen oder Begriffen zu suchen, die für die amerikanischen Geheimdienste von Interesse sein könnten. Obwohl es nicht als realzeitorientiertes Lauschprogramm vorgesehen war, konnte Echelon anhand der richtigen Parameter – zum Beispiel eines Anrufs von den geographischen Koordinaten der
Oase
mit Begriffen wie
Merrick, Singer, Geisel, Befreiung, Donleavy
– die sprichwörtliche Nadel im Cyber-Heuhaufen finden. Eine Abschrift von Nina Vissers Gespräch mit Daniel Singer wurde, drei Minuten nachdem das Gespräch beendet worden war, per E-Mail an Max auf die
Oregon
geschickt.
»Ich hatte so eine Ahnung, dass, nachdem unsere Jungs aufgeflogen waren, Singers Kontaktperson im Gefängnis ihn davon in Kenntnis setzen würde, was geschehen war, und sich neue Marschbefehle holen würde.« Juan rieb sich die Augen mit den Handballen, um seine Erschöpfung ein wenig zu mildern. »Das ist ein Haufen Amateure. Sie hatten ganz sicher keinen Ersatzplan parat.«
»Was hast du mit den restlichen Entführern gemacht?«, fragte Max. Seine Pfeife war erloschen, und es herrschte zu starker Wind, um sie wieder anzuzünden.
Juan steuerte auf eine Luke zu, in Gedanken bereits in seiner rundum verglasten Duschkabine unter einem Wasserstrahl, der so heiß wäre, wie er es gerade noch ertragen konnte. Max hielt mit ihm Schritt. »Ich hab sie da draußen mit genügend Wasser zurückgelassen, um eine Woche durchzuhalten. Dann habe ich Langston veranlasst, Interpol zu informieren. Sie können sich mit den namibischen Behörden abstimmen, um sie aufzugreifen und in die Schweiz zu bringen, um wegen Entführung und im Falle Susan Donleavys wegen versuchten Mordes angeklagt zu werden.«
»Warum hast du sie dann hierhergebracht und nicht mit den anderen verrotten lassen?«
Cabrillo blieb stehen und drehte sich zu seinem alten Freund um. »Weil die NSA Singers Aufenthaltsort nicht ermitteln konnte und ich weiß, dass sie ihn kennt, und weil die ganze Geschichte noch nicht vorüber ist. Noch lange nicht. Merrick zu entführen, war nur der Eröffnungszug des Spiels, das sein ehemaliger Partner im Sinn hat. Sie und ich haben ein langes und interessantes Gespräch vor uns.«
Wenig
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