Schlangenjagd
und den Mut, sich dem zu stellen, was immer auf sie zukommen mochte. Es war also Lindas Job, sie in einem Zustand der Unsicherheit zu halten.
»Was er mit einer Frau anstellt, das weiß ich nicht«, sagte Linda leise, »aber ich weiß, dass ich nicht dabei sein und es mit ansehen werde.« Sie beugte sich so vor, dass ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von Susans Gesicht entfernt war, und achtete gleichzeitig darauf, dass Juan immer noch in ihrem Blickfeld blieb. »Erzählen Sie mir, was ich wissen will, und nichts wird Ihnen geschehen. Das verspreche ich Ihnen.«
Juan hatte Mühe, ernst zu bleiben, denn plötzlich schaute Susan Donleavy Linda mit einem solchen Vertrauen an, dass er wusste: Sie würden alles von ihr erfahren, was sie hören wollten – und noch mehr.
»Wo ist Daniel Singer, Susan?«, flüsterte Linda. »Sagen Sie mir, wo er sich aufhält.«
Susans Mund zuckte, während sie sich gegen das Gefühl des Verrats wehrte, das sie bei der Vorstellung empfinden musste preiszugeben, was sie wusste. Dann spuckte sie Linda mitten ins Gesicht. »Leck mich, du Schlampe! Ich sage nichts!«
Lindas einzige Reaktion bestand darin, sich die Wange abzuwischen. Sie blieb dicht bei Susan und sprach weiter im Flüsterton. »Sie müssen begreifen, dass ich das hier eigentlich gar nicht tun will. Wirklich nicht. Ich weiß, dass Ihnen der Schutz der Umwelt wichtig ist. Vielleicht sind Sie sogar bereit, für dieses Anliegen zu sterben. Aber Sie haben keine Ahnung, was auf Sie zukommt. Sie können sich die Schmerzen nicht vorstellen, die Sie erleiden werden.«
Sich aufrichtend wandte sich Linda an Juan. »Mr. Smith, ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich Sie gebeten habe, darauf zu verzichten, Ihr Werkzeug mitzubringen. Ich dachte wirklich, sie wäre kooperativer. Ich helfe Ihnen noch bei den Bohrern und den anderen Geräten, die Sie brauchen, und dann lasse ich Sie beide allein.« Sie schaute wieder Susan an. »Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass Sie nach dem heutigen Tag jedes Mal entsetzt zurückschrecken werden, wenn Sie sich in einem Spiegel sehen.«
»Es gibt kein Opfer, das ich nicht für Daniel Singer bringen würde«, erklärte Susan trotzig.
»Stellen Sie sich nur eine Frage – was wäre er bereit, für Sie zu opfern?«
»Es geht hier nicht um mich. Es geht darum, den Planeten zu retten.«
Linda ließ den Blick durch den dunklen Frachtraum schweifen, als suchte sie etwas. »Ich sehe hier niemand anderen außer uns, Susan, daher geht es ganz ohne Zweifel um Sie. Singer hält sich an irgendeinem sicheren Ort auf, während Sie hier auf diesen Tisch geschnallt sind. Denken Sie nur für einen Moment darüber nach. Und dann denken Sie darüber nach, wie lange Sie mit den Konsequenzen Ihrer heutigen Entscheidung leben werden. Vor ihnen liegen viele Jahre Gefängnis. Die können Sie in einem namibischen Gefängnis absitzen oder in einer netten, gemütlichen Zelle in Europa – mit fließendem Wasser und einem Bett, das nicht von Flöhen wimmelt. Noch haben wir nicht entschieden, wem wir Sie ausliefern.«
»Wenn Sie mir etwas antun, dann sorge ich dafür, dass Sie dafür bezahlen werden«, fauchte Susan.
Linda runzelte die Stirn. »Wie bitte? Wir sollen dafür bezahlen?« Sie kicherte. »Sie haben keine Ahnung, wer wir sind. Also … wie wollen Sie uns dafür bezahlen lassen? Sie haben es noch immer nicht begriffen. Sie gehören uns, mit Leib und Seele. Wir können mit Ihnen tun, was immer wir wollen. Sie haben keinen freien Willen mehr. Den haben wir Ihnen in dem Moment weggenommen, als wir Sie in unsere Gewalt brachten, und je eher Sie das erkennen, desto eher wird das hier auch zu Ende sein.«
Darauf wusste Susan keine Antwort.
»Wie wäre das denn? Verraten Sie mir, was Dan Singer geplant hat, und ich sorge dafür, dass Sie den Schweizer Behörden übergeben und wegen Beteiligung an einer Entführung vor Gericht gestellt werden. Ich werde Geoffrey Merrick überreden, auf eine Klage wegen versuchten Mordes zu verzichten.« Linda hatte ständig auf sie eingeprügelt, jetzt wurde es Zeit, sie auch ein wenig zu streicheln. »Sie brauchen mir noch nicht einmal zu sagen, wo er sich befindet, okay? Schildern Sie bloß in groben Zügen, welche Absichten er verfolgt, und Ihr Leben wird um einiges leichter sein.«
Linda machte eine Geste, mit der sie eine ungleichgewichtige Waage beschrieb, und meinte: »Zwei oder drei Jahre in einem Schweizer Gefängnis oder Jahrzehnte in einem Gefängnis der Dritten Welt.
Weitere Kostenlose Bücher