Schlangenjagd
die nun sicher erst recht unser Fell wollen, weil wir den Staudamm geöffnet haben«, sagte Juan.
»Sehr weise, mein Freund. Wir können die Röhren auf dem offenen Meer auch genauso eingehend untersuchen wie in einem Trockendock.«
»Wurden noch weitere Schäden gemeldet?«
»Außer dem beschädigten Röntgengerät in der Sanitätsstation und Maurice’ Klagen über jede Menge zerbrochenes Porzellan und Kristall sind wir einigermaßen heil davongekommen.« Maurice war der Chef-Steward der
Oregon
und das einzige Mannschaftsmitglied, das älter war als Max Hanley. Eigentlich viel besser im Viktorianischen Zeitalter aufgehoben, war Maurice zugleich der einzige Nichtamerikaner auf dem Schiff. Er hatte in der englischen Marine gedient und die Offiziersmessen auf einer Reihe von Flaggschiffen geleitet, bis er aus Altersgründen aus dem Dienst ausscheiden musste. Während seines ersten Jahres bei der Corporation hatte er sich zum Liebling der gesamten Mannschaft entwickelt, indem er perfekte Geburtstagspartys für jeden organisierte, die Leibspeisen jedes Einzelnen kannte und regelmäßig von der hochkarätigen Küchenmannschaft des Schiffs zubereiten ließ.
»Sag ihm, er soll sich diesmal mit seinen Bestellungen ein wenig zurückhalten. Als wir vor ein paar Monaten auch schon das gesamte Porzellan verloren haben, während wir Eddie retten mussten, hat Maurice es unbedingt durch Royal Doulton im Wert von sechshundert Dollar pro Essplatz ersetzen müssen.«
Max runzelte die Stirn. »Du regst dich über ein paar Pennys auf?«
»Wir haben Fingerschalen und Sorbetkelche für insgesamt fünfundvierzigtausend Dollar abschreiben dürfen.«
»Okay, dann eben ein paar Pennys mehr. Du vergisst jedoch, dass ich erst vor Kurzem einen Blick in unsere Bücher geworfen habe – wir können es uns leisten.«
Was zutraf. Die Corporation hatte sich noch nie zuvor in einem besseren finanziellen Zustand befunden. Juans Wagnis, seine eigene private Sicherheits- und Überwachungsfirma zu gründen, hatte seine optimistischsten Erwartungen bei Weitem übertroffen, doch es gab auch eine bittere Erkenntnis, die sich daraus ergab. Die Notwendigkeit einer solchen Organisation in der Zeit nach dem Kalten Krieg war im einundzwanzigsten Jahrhundert eine ernüchternde Tatsache. Er hatte gewusst, dass ohne die polarisierende Wirkung zweier beherrschender Weltmächte regionale Aufstände und Terrorismus auf der ganzen Welt erheblich zunehmen würden. In der Lage zu sein, aus solchen Konflikten einen Profit herauszuholen, vorausgesetzt, sie konnten frei entscheiden, welcher Seite sie behilflich waren, war gleichermaßen ein Segen wie auch ein Fluch, der Cabrillo so manche schlaflose Nacht bescherte.
»Das ist ein Erbe meiner Großmutter«, entschuldigte sich Juan. »Sie konnte einen Dollar unendlich strecken und hatte anschließend immer noch Kleingeld übrig. Ich habe es jedes Mal gehasst, sie zu besuchen, denn sie kaufte immer altes Brot, um ein paar Cent zu sparen. Sie toastete es zwar, aber ich konnte es immer schmecken, und getoastete Salamisandwiches sind ungefähr das Ekelhafteste, das man sich vorstellen kann.«
»Okay, um deiner Großmutter eine späte Ehre zu erweisen, werde ich Maurice bitten, sich diesmal mit Limoges-Geschirr zufrieden zu geben«, versprach Max und kehrte auf seine Station zurück.
Hali Kasim kam mit einem Flatscreen-Klemmbrett auf Juan zu. Sein Gesicht war so sorgenvoll, dass die Enden seines verwegenen Schnurrbarts traurig herabhingen.
»Großer Meister, der Schnüffler hat das hier vor zwei Minuten aufgefangen.« Schnüffler war ihre Bezeichnung für die raffinierte Überwachungsanlage, die das elektronische Spektrum im Umkreis von mehreren Kilometern um das Schiff herum überwachte. Sie konnte alles von normalen Funkmeldungen bis hin zu codierten Mobilfunkgesprächen aufzeichnen und entziffern. Die Supercomputer des Schiffes analysierten die empfangenen Signale im Sekundenrhythmus auf der Suche nach verwertbaren Informationen. »Der Computer hat soeben den Code entschlüsselt. Ich würde ihn für den privaten Bereich als hochklassig einstufen. Für den militärischen Bereich ist die Verschlüsselung allenfalls mittelprächtig.«
»Was weißt du über die Quelle?«, fragte Juan und nahm seinem Kommunikationsexperten das matt leuchtende Klemmbrett aus der Hand.
»Ein Gespräch über Satellitenfunk aus einer Entfernung von etwa vierzigtausend Fuß.«
»Das heißt, aus einem Militärflugzeug oder einem
Weitere Kostenlose Bücher