Schlangenjagd
Firmenjet«, sagte Juan. »Die Maschinen der Zivilluftfahrt fliegen gewöhnlich nicht über achtunddreißigtausend Fuß.«
»Das denke ich auch. Tut mir leid, wir haben nur den Anfang des Gesprächs aufgeschnappt. Der Schnüffler gab zusammen mit dem Radar den Geist auf, und als er wieder intakt war, befand sich das Flugzeug schon außer Reichweite.«
Juan las die einzelne Zeile laut vor: »… nicht ganz so früh. Wir bringen Merrick gegen vier Uhr früh nach
Devil’s Oasis.«
Stumm las er den Text ein zweites Mal und sah dann Hali an. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos. »Das sagt mir nicht allzu viel.«
»Ich weiß nicht, was
Devil’s Oasis
sein mag, aber als ihr auf dem Kai die Waffen ausgeladen habt, kam über Sky News die Meldung herein, dass Geoffrey Merrick zusammen mit einer Mitarbeiterin aus der Firmenzentrale in Genf entführt worden sei. Wenn wir diese Nachricht unseren Berechnungen zu Grunde legen, dürften sich Merrick und seine Entführer mit einem Firmenjet genau zu dem Zeitpunkt über uns befunden haben, als wir den Ruf auffingen.«
»Ich nehme an, wir unterhalten uns über
den
Geoffrey Merrick, der Merrick/Singer leitet?«, fragte Cabrillo.
»Der Milliardär, dessen Erfindungen auf dem Gebiet der sauberen Steinkohle für die Industrie eine Flut von neuen Möglichkeiten eröffnet haben, ihn aber gleichzeitig zu einer der bei Umweltschutzorganisationen verhasstesten Persönlichkeiten werden ließen, weil die Ökos immer noch der Meinung sind, dass Steinkohle viel zu schmutzig ist.«
»Gibt es schon irgendwelche Lösegeldforderungen?«
»In den Nachrichten war nichts davon zu hören.«
Juan traf eine schnelle Entscheidung. »Setz Murph und Linda Ross an diese Geschichte.« Mit ihrer Erfahrung beim Marinegeheimdienst war Linda Ross die perfekte Wahl, um die Suche zu starten, und Murph war ein absolutes Ass, wenn es darum ging, verräterische Muster in einer Flut von Informationen aufzuspüren. »Ich möchte genau wissen, was da los ist. Wer hat Merrick entführt? Wer leitet die offizielle Untersuchung? Was und wo ist
Devil’s Oasis!
Eben alles an Material, was sich auftreiben lässt. Plus ausführliche Infos über Merrick/Singer.«
»Weshalb interessieren wir uns für ihn?«
»Aus reiner Menschenfreundlichkeit«, erwiderte Cabrillo mit einem piratenhaften Grinsen.
»Es hat doch nicht etwa mit der Tatsache zu tun, dass er Milliardär ist, hm?«
»Ich bin schockiert, dass du mir so etwas zutraust«, gab Juan mit einer überzeugend indignierten Miene zurück. »Sein Reichtum ist mir niemals entfallen – pardon, niemals in den Sinn gekommen.«
6
Juan Cabrillo saß hinter seinem Schreibtisch, hatte die Füße auf die mit Intarsien verzierte Arbeitsplatte gelegt und las Eddies und Lincs Abschlussbericht ihrer letzten Mission auf seinem Tablet-PC. Allerdings erschien das, was eine ganze Serie von haarsträubenden Ereignissen gewesen sein dürfte, in der Schilderung der beiden eher harmlos und fast langweilig. Jeder lobte die Leistung seines Partners über den grünen Klee und spielte seine eigene Beteiligung und die überstandenen Gefahren derart herunter, dass einem das Ganze am Ende wie die Bedienungsanweisung für eine Stereoanlage vorkommen konnte. Er fügte mit einem Lichtstift einige Notizen hinzu und schickte den elektronischen Bericht dann an die zentrale Datenbank der Corporation.
Anschließend rief er die Wettervorhersagen ab. Der neunte heftige Atlantik-Sturm des Jahres bildete sich nördlich von ihnen. Zwar bedeutete er für die
Oregon
keinerlei Gefahr, doch war er deshalb daran interessiert, weil sich bisher drei Stürme zu klassischen Hurrikanen gesteigert hatten und die Saison erst einen Monat alt war. Wetterexperten prophezeiten, dass man dieses Jahr mindestens die gleiche – wenn nicht noch eine höhere – Anzahl mit Namen bezeichneter Stürme, die 2005 die USA heimgesucht, New Orleans und die texanische Golfküste verwüstet hatten, zu verzeichnen haben würde. Die Experten versicherten, dass dies ein ganz normaler Zyklus sei, in dessen Verlauf man mit heftiger werdenden und häufiger auftretenden Hurrikanen zu rechnen habe. Umweltschützer hingegen schlugen Alarm und äußerten die Überzeugung, dass diese Superstürme eine Folge der globalen Erwärmung seien. Juan neigte zwar zur Auffassung der Wetterexperten, aber der Trend war Besorgnis erregend.
Das Wetter an der südwestlichen Küste Afrikas schien mindestens während der kommenden fünf Tage unverändert schön zu
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