Schlangenjagd
Glutofen war und das Licht, das durch das einzige glaslose Fenster hoch oben in der östlichen Wand hereindrang, noch eine gewisse Freundlichkeit ausstrahlte. Der Zellenblock maß mindestens zwanzig mal zwanzig Meter und war wenigstens zehn Meter hoch. Er war in zahlreiche Zellen aufgeteilt, mit Steinwänden an drei Seiten und Eisengittern an der vierten – sowie als Decke. Eine zweite und dritte Zellenreihe waren ringförmig um den Raum über ihm angeordnet und über eine schmiedeeiserne Wendeltreppe erreichbar. Trotz des offensichtlichen Alters der Anlage waren die Eisengitter so stabil wie in einem modernen Hochsicherheitsgefängnis.
Noch hatte Merrick seine Peiniger nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen. Sie hatten Skimützen getragen, als sie seinen Wagen kurz nach Verlassen des Laborkomplexes von der Straße gedrängt und ihn in dieses Höllenloch gebracht hatten. Es gab mindestens drei von ihnen, wie er an Unterschieden ihrer Gestalten erkennen konnte. Einer war groß und massig und trug nichts anderes als ärmellose Muskelshirts. Ein anderer war schlank und hatte hellblaue Augen, während der dritte daran zu erkennen war, dass er nicht so aussah wie die ersten beiden.
In den drei Tagen nach ihrer Entführung hatten ihre Gefängnisaufseher kein einziges Wort mit ihnen gesprochen. Sie waren im Van, der ihre Wagen von der Straße gefegt hatte, bis auf die Haut ausgezogen worden und hatten dafür Overalls erhalten. Sämtlicher Schmuck war ihnen abgenommen worden, und anstelle von festen Schuhen mussten sie Badesandalen aus Gummi tragen. Sie erhielten zwei Mahlzeiten pro Tag, und Merricks Zelle hatte als Toilette ein Loch im Fußboden, durch das heiße Luft und Sand hereinwehten, wenn draußen Wind aufkam. Seit sie eingesperrt worden waren, hatten sich die Aufseher nur blicken lassen, um ihnen das Essen zu bringen.
Dann hatten sie an diesem Morgen Susan geholt. Weil sich ihre Zelle innerhalb des Blocks in einer anderen Reihe befand, hatte Merrick nicht sicher sein können, aber es hatte geklungen, als hätten sie sie an den Haaren auf die Füße hochgerissen. Sie hatten sie dann an ihm vorbeigeschleift und durch die einzige feste Tür des Raums geschafft, eine dicke Eisenplatte mit Gucklöchern.
Susan war bleich, in ihren Augen lag ein Ausdruck der Verzweiflung. Er hatte ihren Namen gerufen und war mit der Absicht, sie zu berühren, ihr ein Zeichen seines Mitgefühls zu übermitteln, zum Gitter geeilt. Aber der kleinste der Wächter hatte mit einem Polizeiknüppel gegen die Gitterstäbe geschlagen. Hilflos war Merrick zurückgewichen, während sie sie weggeschleift hatten. Indem er die Hitze abschätzte, die sich in dem Raum entwickelt hatte, nahm er an, dass seitdem vier Stunden verstrichen waren. Zuerst war es still gewesen, und dann waren die Schreie erklungen. Und jetzt durchlebte Susan gerade die zweite Stunde ihrer Foltern.
Nachdem sie mindestens sechs Stunden lang mit verbundenen Augen geflogen waren, hatte Merrick nicht die geringste Ahnung, was hier überhaupt geschah. Er und Susan hatten sich in der Nacht flüsternd unterhalten und Spekulationen über die Absichten ihrer Entführer angestellt. Während Susan darauf bestand, dass es wegen seines Geldes passiert sein müsse und man sie nur deswegen gleich mit entführt hatte, weil sie eine Zeugin war, äußerte Merrick seine Zweifel daran. Er war nicht aufgefordert worden, sich mit irgendwem in seiner Firma in Verbindung zu setzen, um sich um die Beschaffung eines Lösegeldes zu kümmern, oder hatte irgendeinen Hinweis darauf erhalten, dass seine Leute überhaupt wussten, dass er und Susan noch am Leben waren. Zugegebenermaßen lag der Sicherheitskursus für das leitende Personal, an dem er teilgenommen hatte, schon einige Jahre zurück, aber er konnte sich gut genug daran erinnern, um zu erkennen, dass seine Entführer nicht dem gewöhnlichen Muster entsprachen.
Und jetzt dies. Sie folterten Susan Donleavy, eine loyale, engagierte Angestellte, die nur wenig von der Firma wusste und auch sonst nicht viel mehr kannte als ihre Reagenzröhrchen und Bechergläser. Merrick erinnerte sich an ihr Gespräch vor ein paar Wochen über ihre Idee, Ölkatastrophen mit ihrem modifizierten Plankton zu Leibe zu rücken. Er hatte ihr nicht gesagt, dass ihre Ziele zwar ein wenig hochgesteckt waren, dass ihr Konzept jedoch reichlich exotisch anmutete. Sein gesamter Kommentar über Rache als großer Motivator war nicht mehr als hohles Gewäsch gewesen, eine
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