Schlangenjagd

einem weit geschnittenen Buschhemd mit zahlreichen Taschen. Ihre Füße steckten in Bootsschuhen aus Segeltuch. Eine goldene Fußkette funkelte in der Sonne.
    Jedes Mal, wenn sie auf dem Wasser war, erinnerte sie sich an ihre Teenagerzeit, als sie auf dem Charterboot ihres Vaters vor der Küste von Florida gearbeitet hatte. Es hatte einige unschöne Vorfälle gegeben, als sie für ihren kranken Vater eingesprungen und mit betrunkenen Anglern hinausgefahren war, die sich mehr für sie als dafür interessierten, Blaue Marlins oder Rote Schnapper zu fangen. Aber alles in allem war es die schönste Zeit ihres Lebens gewesen. Das salzige Seearoma schien ihre Seele zu besänftigen, während die Tatsache, dass sie sich auf einem mit voller Fahrt durchs offene Meer pflügenden Boot befand, ihr dabei half, ihren Geist auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.
    Der Kapitän des Charterboots, ein freundlicher Namibier, schien eine Seelenverwandtschaft zu ihr zu spüren und reagierte jedes Mal, wenn sie ihn ansah, mit einem wissenden Lächeln. Beim Lärm der beiden Cummings-Dieselmotoren am Heck war es fast unmöglich, sich zu unterhalten, daher erhob er sich von seinem Stuhl und gab Sloane durch eine Geste zu verstehen, sie solle die Steuerung übernehmen. Ihr Lächeln vertiefte sich zu einem Grinsen. Der Kapitän tippte auf den Kompass, um ihr den Kurs zu zeigen, dem sie folgen mussten, und trat zur Seite. Sloane nahm seinen Platz ein und legte die Hände behutsam auf das abgewetzte Ruderrad.
    Er blieb etwa zwei Minuten lang neben ihr stehen und vergewisserte sich, dass ihr Kielwasser eine schnurgerade Linie bildete. Zufrieden, dass er sich, was ihre Fähigkeit betraf, ein Sechsundvierzig-Fuß-Boot zu lenken, in seiner Passagierin nicht geirrt hatte, ließ er sich die kurze Leiter hinunterrutschen. Er nickte Tony Reardon zu, der auf dem Angelstuhl herumlümmelte, und suchte die Toilette auf.
    Sloane hätte ihre Suche aufgegeben, hätten die beiden Männer sie nicht am vergangenen Abend verfolgt. Deren Aktion überzeugte sie jedoch, dass sie bei ihrer Suche nach der HMS
Rove
auf der richtigen Spur war. Warum hätten sie sonst versuchen sollen, sie von weiteren Nachforschungen abzuhalten? Sie hatte Tony gegenüber nichts von der Begegnung verlauten lassen, hatte jedoch gleich an diesem Morgen ihren Boss angerufen und ihm die ganze Geschichte erzählt. Einerseits besorgt wegen ihrer Sicherheit, gestattete er ihr andererseits, ihren Aufenthalt noch um einen Tag zu verlängern, damit sie sich auch noch den Teil des Meeres ansehen konnten, wo Papa Heinrick seine Riesenschlangen aus Metall gesehen haben wollte.
    Sie wusste, dass sie leichtsinnig war. Jeder halbwegs vernünftige Mensch hätte sich die Warnung zu Herzen genommen und das Land mit dem ersten Flugzeug in Richtung Ausland verlassen. Aber das war nicht ihre Art. In ihrem ganzen bisherigen Leben hatte sie niemals eine Aufgabe unbeendet gelassen. Ganz gleich, wie schlecht ein Buch war, einmal angefangen, las sie es bis zur letzten Seite durch. Ganz gleich, wie schwierig ein Kreuzworträtsel sein mochte, sie löste es bis zum letzten Wort. Ganz gleich, wie schwierig ein Job auch war, sie blieb bis zum Ende dabei. Es war vermutlich diese verbissene Hartnäckigkeit, die sie in Beziehungen ausharren ließ, die zum Scheitern verurteilt waren, obgleich sie sie längst hätte beenden sollen. Aber dies gab ihr auch die Kraft, sich jedem entgegenzustellen, der die Absicht hatte, sie von ihrer Suche nach dem Schiff abzuhalten.
    Sloane hatte beim Aussuchen des Charterboots sorgfältig darauf geachtet, dass der Kapitän nicht einer von denen war, mit denen sie und Tony sich beim Vervollständigen ihrer Landkarte unterhalten hatten. Als sie ihr Hotel verließen, hatte sie es so eingerichtet, dass sie sich unauffällig unter eine umfangreiche Touristengruppe mischten, die zum Hafen unterwegs war, um zu einer selbst arrangierten Angeltour aufzubrechen. Und im Bus vergewisserte sie sich, dass ihnen niemand folgte. Wäre ihr irgendetwas Verdächtiges aufgefallen, sie hätte das gesamte Vorhaben abgeblasen. Aber niemand schenkte ihrem Fahrzeug eine gesteigerte Beachtung.
    Erst als sie mehrere Kilometer von der Küste entfernt waren, offenbarte Sloane dem Kapitän, wohin sie wirklich wollten. Er hatte ihr erklärt, dass der Teil des Meeres, wo sie angeln wollte, von jeglicher Wasserfauna und -flora gemieden wurde. Aber da sie ein zahlender Kunde war, hatte er ihren Wunsch respektiert und