Schlangenjagd
Sloane in Verlegenheit zu bringen.
Eine von Juans Augenbrauen ruckte hoch. »Riesenschlangen?«
»Es ist nichts«, sagte Sloane. »Nur eine Geschichte, die wir von einem verrückten alten Fischer gehört haben.«
Es klopfte leise an der Tür. Maurice erschien mit einem Plastiktablett. Juan bemühte sich, bei dem angewiderten Gesichtsausdruck des Chefstewards nicht zu lachen.
Mit einem Wort, Maurice war anspruchsvoll. Er war ein Mensch, der sich zwei Mal am Tag rasierte, der jeden Morgen seine Schuhe putzte und polierte und sein Oberhemd wechselte, sobald er auch nur ein winziges Fältchen darin entdeckte. In der eleganten Umgebung der
Oregon
war er ganz zu Hause, aber wenn er im öffentlichen Teil des Schiffes seiner Arbeit nachgehen musste, konnte er einem vorkommen wie ein Muslim in einem Schweinestall.
Aus Rücksicht auf den Schwindel, den sie ihren Gästen vorspielten, hatte er sein Jackett ausgezogen und sich tatsächlich die Ärmel seines Oberhemdes hochgekrempelt. Obwohl Juan ein komplettes Dossier über jedes Mitglied der Corporation besaß, war der eine Punkt, den noch nicht einmal er kannte, Maurice’ Alter. Die Schätzungen bewegten sich im Bereich zwischen fünfundsechzig und achtzig. Trotzdem hielt er das Tablett genauso sicher wie einer der Derrickkräne der
Oregon
und stellte Teller und Gläser auf den Tisch, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten.
»Grüner Tee«, verkündete er, wobei sein englischer Akzent Tonys Neugier weckte. »Dim sum, Pot Sticker und Lo-Mein-Nudeln mit gebratenem Hühnerfleisch.« Er holte ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Tasche seiner Schürze und reichte es Juan. »Mr. Hanley bat mich, Ihnen dies zu geben.«
Juan faltete den Notizzettel auseinander, während Maurice den Tisch mit Tellern, Servietten und Besteck deckte, wovon nicht ein Stück zum anderen passte, aber wenigstens war die Tischdecke sauber.
Max hatte geschrieben:
Sie lügt wie gedruckt.
Juan blickte zur versteckten Kamera. »Das ist offensichtlich.«
»Was ist offensichtlich?«, fragte Sloane, nachdem sie einen Schluck Tee getrunken hatte.
»Hmm? Mein Erster Offizier erinnert mich daran, dass wir unser nächstes Ziel umso später erreichen, je länger wir uns hier aufhalten.«
»Und was ist Ihr nächstes Ziel, wenn ich fragen darf?«
»Danke, Maurice, das ist vorerst alles.« Der Steward deutete eine Verbeugung an und entfernte sich, und Cabrillo beantwortete Sloanes Frage. »Kapstadt. Wir haben in Brasilien Holz für Japan geladen, aber wir übernehmen in Kapstadt einige Container für Mumbai.«
»Ist das wirklich ein Trampdampfer?«, fragte Sloane. Ihrer Stimme war anzuhören, wie beeindruckt sie war. »Ich hätte nicht geglaubt, dass es so etwas noch gibt.«
»Viele gibt es auch nicht mehr. Der Containervirus hat mittlerweile alles erfasst, aber es fahren noch einige wenige von uns, die sich um die Reste balgen.« Er deutete mit einer umfassenden Geste auf den heruntergekommenen Speisesaal. »Unglücklicherweise werden auch die Reste immer weniger, daher bleibt uns kein Geld, das wir in die
Oregon
stecken können. Ich fürchte, das alte Mädchen fällt nach und nach auseinander.«
»Dennoch«, sagte Sloane, »es muss ein ziemlich romantisches Leben sein.«
Die Ernsthaftigkeit, mit der sie es feststellte, verblüffte Juan. Er hatte schon immer angenommen, dass die Vagabundenexistenz eines Trampschiffs, das von Hafen zu Hafen dampfte und dessen Mannschaft von der Hand in den Mund lebte, anstatt ein Rädchen in der riesigen Industriemaschine zu sein, zu der sich der Seehandel mittlerweile entwickelt hatte, von einer gewissen Romantik umgeben war und den Traum von einem geruhsamen Leben darstellte, das praktisch für alle Zeiten verschwunden war. Er lächelte und prostete ihr mit seiner Tasse Tee zu. »Ja, manchmal ist es das.«
Die Wärme ihres Lächelns signalisierte ihm, dass sie zumindest in diesem Punkt auf einer Wellenlänge lagen.
Er raffte sich auf, um mit seiner Befragung fortzufahren. »Captain Ulenga, wissen Sie irgendetwas über Schlangen aus Metall?«
»Nein, Captain«, antwortete der Namibier und tippte sich gegen die Schläfe. »Papa Heinrick ist nicht ganz richtig im Kopf. Und wenn er getrunken hat, nun, dann sollte man ihm nicht allzu genau zuhören.«
Juan wandte sich wieder zu Sloane um. »Wie lautete der Name des Schiffes, das Sie suchen?«
Es war offensichtlich, dass sie den Namen nicht verraten wollte, daher beließ er es dabei. »Ist auch egal. Ich
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