Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Katze.
    »Da ist ja Virginia!«, sagt Barbara, steht auf und hat kaum die Küchentür geöffnet, da drängt sich die Katze auch schon herein und streicht mit einem hoch aufgerichtetem geplusterten Schwanz um Barbaras Beine. »Übrigens mag sie nur Frauen«, erklärt Barbara, während sie zum Küchentisch geht, »von Männern nimmt sie nichts an.«
    Sie holt eine Dose aus dem Kühlschrank und öffnet sie und will die Pastete darin in kleine Stücke schneiden, muss aber erst die Katze vom Küchentisch wieder auf den Boden zurückbefördern. Schließlich ist alles da, wo es hingehört – das Fressen auf dem Teller, der Teller mitsamt der Katze auf dem Boden und die Katze beim aufmerksamen, konzentrierten Fressen. »Absolut unverzeihlich!«, sagt Barbara kopfschüttelnd. »Nicht als Erstes an Virginia zu denken!«
    »Sehr verhungert kommt mir dieses Tier aber nicht vor«, bemerkt Dingeldey.
    »Darum geht es nicht«, antwortet Barbara.
    »Und worum dann?«
    »Um die Rangordnung«, wirft Berndorf ein. »Die Katze besteht darauf, dass sie wichtiger ist als Ihre Frage, Dingeldey. Sie hatten zu einer angesetzt, wenn ich mich nicht irre.«
    »Doch«, meint der Anwalt, »aber die Katze …«
    »Virginia hat die Rangordnung ja inzwischen klargestellt«, meint Barbara. »Du kannst also ruhig fragen, sie nimmt dir das nicht übel.«
    »Das ist nett von ihr«, meint Dingeldey. »Übrigens ist das Meiste ja schon gesagt. Was mir allenfalls noch fehlt, sind hier und da die atmosphärischen Details. Deshalb wollte ich mir noch einmal und genauer beschreiben lassen, wie das war, als Zlatan« – er blickt zu ihm hin – »in Berlin mit Mesic zusammengetroffen ist … und wie er das erlebt hat.«
    Es kommt keine Antwort, und für eine Weile ist nur das Prasseln und Knistern des Holzfeuers zu hören, das allmählich abklingt und schwächer wird. Zlatan steht auf und geht zum Herd und zieht einen Isolierhandschuh an, um die Ofentür zu öffnen, und legt zwei neue Holzscheite ein. »Es war Nachmittag, ich war für den Salon Leuthen eingeteilt«, beginnt er plötzlich, während er die Glut mit dem Schürhaken zusammenschiebt, »zu einer Besprechung, zu der einer unserer Gäste eingeladen hatte, ein Herr Daniel Kirstejn – das heißt, meine Anweisungen bekam ich gar nicht von ihm, sondern von seinem Anwalt, der mit mir auch die Sitzordnung durchging. Herrn Kirstejn sollte ich erst verständigen, wenn die anderen Gäste eingetroffen waren, genauer gesagt: fünf Minuten danach.« Er schließt die Ofentür wieder, legt den Schürhaken zurück und zieht den Handschuh aus.
    »Es kamen sieben oder acht weitere Herren, darunter ein Geistlicher, ein Monsignore, und ich wunderte mich ein wenig, dass man einen solchen Herrn warten lässt«, fährt Zlatan Sirko fort und setzt sich wieder an den Küchentisch. »Aber ich habe mich an die Anweisung gehalten und die fünf Minuten gewartet, bis ich an der Tür zu Kirstejns Suite geklopft habe und dann eingetreten bin. Zuerst sah ich niemanden, im Fernseher lief eine der amerikanischen Nachrichtensendungen, einfach so, und die Sprecher redeten ins Leere … Plötzlich sagte eine Stimme: ›Ja bitte?‹, und da habe ich ihn erst bemerkt. Er stand am Fenster und sah hinaus, die Suite ist in einem der oberen Stockwerke, und man hat von dort einen weiten Blick über Berlin. Ich sah ihn zuerst nur von hinten, das ist auch kein Wunder, solche Gäste drehen sich doch nicht um, nur für einen Zimmerkellner! Aber das war auch gar nicht nötig. Ich hab ihn auch so sofort erkannt.«
    Dingeldey macht sich weiter Notizen, aber hebt ganz leicht die Augenbrauen.
    »Ja, das klingt komisch«, bestätigt Zlatan, »aber es gibt Menschen, von denen müssen Sie nur wissen, wie sie den Kopf halten oder wie sie gehen – und Sie erkennen sie unter Tausenden. Bei Mesic ist es so, dass er sehr groß ist und dabei ungewöhnlich dünn, bei einer Frau würde man sagen, sie hat eine Wespentaille. Obwohl er keine Uniform trug, sondern einen Anzug, war das Sakko doch so auf Taille geschneidert, als wäre es eine Offiziersjacke. Das ist doch albern, finden Sie nicht? Aber niemand hält Jovan Mesic für albern.«
    »Er hat sich nicht umgedreht?«
    »Doch. Ich sagte, dass die Gäste jetzt vollzählig eingetroffen seien, und während ich das sagte, hatte ich das Gefühl, ich bin wieder im Lager und muss Meldung machen. Sonst war in meinem Kopf nichts, nicht einmal Angst.« Er deutet auf den Herd. »Wenn das Feuer alles verbrannt hat, dann

Weitere Kostenlose Bücher