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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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kleineren, in die Erde geduckten Haus daneben ist ein Fenster hell erleuchtet, sie nimmt das Nachtsichtgerät und stellt es ein, sie vermutet, dass das erleuchtete Fenster zur Küche gehört, daneben gibt es noch eine Tür, durch deren Ritzen Licht fällt und die zum rückwärtigen Garten oder Hof führt. Das Haus hat nur das Erdgeschoß, aber im Walmdach darüber sind Mansardenfenster eingebaut. Ein Baum versperrt die freie Sicht auf den Hof, trotzdem glaubt sie einen Wagen zu erkennen, der jetzt vor dem Schuppen geparkt ist und von dem sie nicht viel mehr sieht als die Reflexe der Straßenlaterne auf dem Fahrzeuglack.
    Vorhin, als sie vorbeifuhr, stand dieser Wagen noch nicht da.
    Was bedeutet das? Dass sich in dem Haus jetzt nicht nur ein oder zwei Personen aufhalten, sondern mehr. Und was bedeutet das für sie? Olga entscheidet, dass es nichts zu bedeuten hat. Den Trick mit dem Blumenbukett wird sie ohnehin kein zweites Mal versuchen. Und ohnehin wird sie nicht von der Dorfstraße her kommen. Denn die Leute in jenem Haus werden sehr vorsichtig sein. Werden nicht unbesehen öffnen. Sehr wahrscheinlich wissen sie, dass sie mit … nun ja: mit Unannehmlichkeiten werden rechnen müssen.
    Nur ist das nicht ihr Problem. Ihr Problem ist: Wo stellt sie den Wagen ab, solange sie ihren Job erledigt?
    Sie könnte ihn zum Beispiel kurz nach dem Ortsende zwischen zwei Alleebäumen abstellen. Wie viele Meter von dem kleinen Haus entfernt? Hundert? Das würden die im Haus aber hören können: Da stellt einer seinen Wagen in der Allee ab! Keine hundert Meter von uns! Warum? Weshalb?
    Zweihundert Meter? Da hätte sie dann hinterher ein ganzes Stück zu laufen. Außerdem muss sie für diesen Job Zeit einplanen, sehr viel Zeit. Solange kann sie den Wagen nicht in der Allee stehen lassen. Es ist zu auffällig.
    Elegant wäre es, den Wagen ganz einfach auf der Auffahrt zu dem großen leeren Haus daneben abzustellen. Das wäre ein wirklich kurzer Fluchtweg. Nur würde das den Leuten in dem kleinen Haus daneben auffallen: Habt ihr das gehört? Hat sich da doch noch ein Interessent gefunden?
    Am Dorfanger hing ein Plan, den sie sich jetzt in Erinnerung ruft. Links von den Häusern an der Dorfstraße war ein Sportplatz eingezeichnet. Mit dem Feldstecher sucht sie die rückwärtige Front der Häuser ab, sie erkennt Gartenzäune, die auf gleicher Höhe verlaufen. Den Sportplatz selbst sieht sie zunächst nicht, nur die Umrisse einer Baracke, irgendetwas wird man selbst hier fürs Duschen und Umkleiden haben. Plötzlich hat sie das Gestänge eines Fußballtors im Blick. Also doch! Von dem Sportplatz führt zwar kein Weg entlang der Gartenzäune, aber ein Pfad, es müsste dort gut zu gehen sein – und ohne Gefahr, jemandem zu begegnen.
    Sie richtet den Feldstecher wieder auf das Haus mit dem erleuchteten Fenster. Es sieht so aus, als ob es die Leute dahinter warm und behaglich hätten. Sie nimmt das Gerät ab und sieht mit bloßem Auge, dass nun auch oben, im Dachgeschoß, in den Zimmern mit den Mansardenfenstern, Lichter angegangen sind. Die Schlafzimmer werden bezogen, denkt sie. Nun gut.
    Noch einmal nimmt sie den Feldstecher und sucht das Anwesen ab, bis sie an der Rückwand des Schuppens ein vergittertes Fenster entdeckt und daneben eine Tür, eine ganz normale Tür mit einer Klinke daran.
    Z war steht inzwischen ein brennender Kerzenleuchter auf dem Tisch, doch die Deckenlampe bleibt eingeschaltet, denn Adrian Dingeldey braucht Licht für seine stenografischen Notizen. Schon lange hat Berndorf alles gesagt, was er über seine Frankfurt-Reise zu sagen hatte, freilich nicht ganz ohne Unterbrechungen. Als er die Vorkommnisse auf der Kellertreppe in Heddernheim schilderte, war Barbara aufgestanden und hatte sich eine Flasche Wein geholt. Nun ist Zlatan Sirko mit seinem Bericht an der Reihe, eine ganze Weile schon, noch immer sitzt er sehr aufrecht und angespannt auf seinem Stuhl, wie ein Schüler, den man aufs Rektorat bestellt hat. Eigentlich, denkt Zlatan, hat er schon alles gesagt.
    Dingeldey geht noch immer seine Notizen durch, für einen Augenblick herrscht Stille, dann hebt der Anwalt den Kopf und fasst Zlatan ins Auge. »Etwas würde ich gerne …«, hebt er an und bricht wieder ab, denn von draußen, vom Fensterbrett her ist ein Schlag wie vom Aufsprung eines nicht zu schweren Tieres zu hören, gleich darauf ein lautes, maunzendes, vorwurfsvolles Schreien, und durch das Fenster starren die empörten grünen Augen einer hungrigen

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