Schlangenkopf
temperamentvolle Autofahrerin, wissen Sie das?«
»Vor allem, wenn sie wütend ist«, antwortet Berndorf, bleibt an der Küchentür stehen und bittet einzutreten. In der Küche wartet Zlatan Sirko neben dem Tisch, aufmerksam und achtungsvoll, Berndorf übernimmt die Vorstellung und ist dankbar, dass weder von Barbara noch von Dingeldey ein: »Sie sind das also!« zu hören ist. Barbara packt aus, was sie fürs Abendbrot mitgebracht hat, Dingeldey nimmt auf der Eckbank Platz, Berndorf fragt, ob er einen Wein holen soll, wird aber von Barbara darauf hingewiesen, man sei doch wohl zum Arbeiten hier! Also stellt Berndorf den Wasserkocher an für eine neue Kanne Tee, Zlatan macht sich anheischig, das Brot aufzuschneiden und beim Decken des Abendbrottisches zu helfen, unversehens arrangieren sich Steingutgeschirr und Brotkorb und die Teller mit dem Aufschnitt und dem Käse zusammen mit dem Rechaud für den Tee und dem Besteck auf eine irgendwie andere, irgendwie gefällige Weise, so dass Barbara Stein ganz leicht die Augenbrauen hebt.
Sirko fragt, ob es irgendwo Servietten gebe und vielleicht auch Kerzen. Die Servietten findet Barbara nach kurzem Überlegen, »aber nach Kerzen«, so sagt sie, »ist es mir heute Abend nicht zumute!« Während der Tee zieht, berichtet Dingeldey über das Ergebnis der Durchsuchung von Berndorfs Büro:
»Es hätte Ihnen also nicht das Büro, sondern nur Ihr guter Ruf um die Ohren fliegen sollen.«
Das finde er beruhigend, meint Berndorf. »Und die Kosten?«
»Ach!«, meint Dingeldey wegwerfend, »die brauchen Sie nicht zu bekümmern! Das übernimmt der Steuerzahler, der ist das gewohnt.«
Inzwischen haben alle Platz genommen, Berndorf schenkt Tee ein, Dingeldey lobt den Tee und das Brot und das Häuschen und den alten Küchenherd, »eigentlich fehlt nur noch eine Katze!«
Barbara berichtet, dass sie von einer solchen immerhin gelegentlich besucht würden, »es ist eine schwarzweiße, mit einer Piratenmaske, ich bring ihr immer ein paar Dosen Katzenfutter mit, auch Gänseleber wird durchaus geschätzt …« Unvermittelt bricht sie ab und wirft einen ernsten Blick auf Berndorf. »Hat dir Adrian eigentlich schon gesagt, wen genau dieser Herr Hornisser vertritt?«
»Den Bundesnachrichtendienst, nehme ich mal an«, antwortet Berndorf, der sich gerade eine Scheibe vom Rauchfleisch heruntergeschnitten hat, »der hat doch schon zu Gehlens Zeiten herzinnige Kontakte zu den Überlebenden der Ustascha gehalten.«
»Hornisser war Regierungsdirektor in Pullach«, bestätigt Dingeldey. »Und der BND wäre in der Tat erste Wahl, wenn es darum ginge, zum Beispiel einem alten Kampfgefährten einen neuen Pass zu besorgen. Aber ich will nicht vorgreifen …« Er betrachtet seine Hände, als müsse er sich vergewissern, dass sie zwar sehr klein, aber doch wohlgeformt sind. Als er genug gesehen hat, holt er aus der Innentasche seines Sakkos einen Notizblock und einen Stift, dann richtet er seinen Blick erst auf Berndorf und lässt ihn dann zu Zlatan Sirko wandern. »Dies ist zwar ein vorzügliches Abendessen in einer mir sehr angenehmen Gesellschaft. Aber deshalb bin ich nicht hier. Wenn ich mich nicht sehr täusche, brauchen Sie beide anwaltlichen Rat … Also erzählen Sie! Wer beginnt?« Seine rechte Hand zeigt auf den einen, dann auf den anderen, und bleibt am Ende bei Berndorf hängen. »Bitte!«
D er Feldweg nimmt einen kurzen Anstieg, und obwohl der Boden nass und rutschig ist, drehen die Räder des Mietwagens nicht durch. Vor einer Gruppe kahler Bäume, die sich um ein Hünengrab gruppieren, endet der Weg. Für einen Augenblick erfasst das Licht der Scheinwerfer den breit hingelagerten Deckstein des Hünengrabs, der auf seinen Widerlagern ruht, als wäre er der Wurfkeil eines Riesen. Olga stoppt den Wagen und schaltet den Motor aus, das Licht erlischt.
Aus ihrer Reisetasche, die sie auf dem Beifahrersitz abgestellt hat, nimmt sie den Feldstecher – ein Nachtsichtgerät –, steigt aus und geht am Hünengrab vorbei zum Rand der Baumgruppe. In der Ferne ahnt sie die Linie des Horizonts, dahinter muss das Meer liegen. Das Dorf ist nahe, vielleicht vierhundert Meter entfernt, und nur durch die leeren abfallenden Felder von ihr getrennt. In einzelnen Häusern brennt schon Licht, die Straßenbeleuchtung ist eingeschaltet. Am Ende des Dorfes sieht Olga das größere, dunkle Haus, von dem sie weiß, dass es zum Verkauf steht, denn beim Vorbeifahren hat sie das Werbeschild des Maklers gesehen. In dem
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