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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Häftling aus einem Lager herausgeholt.«
    »Sie meinen diesen …« Carmen Ruff tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, als könnte sie so ihrem Namensgedächtnis auf die Sprünge helfen. »Sie meinen Sirko, Zlatan Sirko! Ich kenn die Geschichte, sie ist ja uralt, trotzdem hat deshalb erst vorgestern ein Journalist vorgesprochen. Falls Sie jetzt auch noch wissen wollen, ob dieser Sirko hier in letzter Zeit angerufen hat, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass das Gespräch nicht über meinen Apparat gelaufen ist.«
    Barbara spürt Enttäuschung. »Da war auch sonst kein Anruf, der sich auf diese Sache bezogen haben könnte?«, fragt sie aufs Geratewohl. »Vielleicht am Donnerstag vor acht Tagen?«
    »Das müsste dann am Nachmittag gewesen sein«, kommt die Antwort. »Da war ich bei der Vorsorgeuntersuchung.« Sie wirft einen Blick zur Decke. »Was glauben Sie, was das für Wartezeiten sind, wenn man Kassenpatient ist!«
    Auf dieses Thema will Barbara sich nicht einlassen. »Wenn nun aber doch an diesem Nachmittag ein Anruf gekommen wäre – wer hätte den entgegengenommen? Frau Jankewitz?«
    »Ich wüsste nicht, wer sonst. Der Chef war ja auf dieser Tagung am Starnberger See. Obwohl – er hat ja ein Handy, auf das Anrufe umgeleitet werden, wenn hier niemand abhebt. Aber das schaltet er eigentlich nur ein, wenn er in Berlin ist. Ich hab Ihnen ja gleich gesagt, es wäre besser, Sie würden nächste Woche noch mal wiederkommen. Dann wird die Kollegin sicher da sein.« Wieder wendet sie sich dem Schreibtisch zu.
    Barbara sollte jetzt gehen, aber weil es ihr etwas zu deutlich nahe gelegt worden ist, bleibt sie erst recht. »Das heißt, das Büro bleibt weiter besetzt wie bisher?«, fällt ihr als Frage ein. »Entschuldigen Sie, wenn ich so frage, aber Sie und die anderen Mitarbeiter Faussers müssen sich doch sicher Gedanken darüber machen, wie es mit Ihnen beruflich weitergeht?«
    »Sie sind gut«, kommt als Antwort. »Was glauben Sie, wo die Jankewitz heute Morgen ist? Bei der Arbeitsagentur ist sie, ich weiß, ich sollte das nicht sagen, aber das alles ist für uns wirklich nicht lustig. Und für die Jankewitz gleich zweimal nicht.«
    »Hat denn Herr Fausser sein Mandat inzwischen zurückgegeben? In seinem jetzigen Zustand kann er doch gar keine Erklärungen abgeben.«
    »Natürlich nicht«, meint Carmen Ruff unwirsch. »Denken Sie mal an diesen Ministerpräsidenten, der war nach seinem Unfall monatelang weggetreten, aber im Amt ist er trotzdem geblieben, bis die Leute ihn abgewählt haben, weil sie nicht von einem Zombie regiert werden wollten. Also bei uns wird die Fraktion …« – sie fährt sich mit einem Handrücken übers Auge – »… doch so viel Anstand haben, dass sie ihn nicht drängt. Und der Chef wird nichts unterschreiben, denk ich mal, solange nicht geklärt ist, was mit seinem Team passiert.«
    »Ihre Kollegin Jankewitz scheint sich darauf aber nicht zu verlassen?«
    »Es ist ein bisschen schwierig zwischen den beiden.« Mit gerunzelter Stirn betrachtet Carmen Ruff einen aufwendig gestalteten Prospekt mit einem mediterranen Bildmotiv auf der Titelseite, schüttelt den Kopf und legt ihn in das Eingangsfach zurück. »Sie will nicht von ihm abhängig sein, verstehen Sie?« Sie wirft Barbara einen raschen Blick zu, als wolle sie sich vergewissern, ob diese auch wirklich begreift. »Sie wollte deshalb ja auch schon zur Ebert-Stiftung, das wäre ein Job auf Dauer gewesen, aber da hat dann jemand anderes die besseren Beziehungen gehabt. Tja, haben Sie noch eine Frage? Ich würde nämlich gerne …«
    »Nein«, sagt Barbara und bedankt sich für die Auskunft.
    Während sie zum Aufzug geht, rekapituliert sie das Gespräch über den angeblichen oder tatsächlichen Anruf vom Donnerstag vergangener Woche. Prompt bleibt sie an einer Stelle hängen: »Der Chef war ja auf dieser Tagung am Starnberger See …« Warum, fragt sie sich, sagt die Ruff das? Die Tagung begann am Freitag um 14 Uhr. Barbara weiß es, denn sie war ja dabei.
    M onsignore Johann Baptist Feichtmayr erhebt sich hinter seinem Schreibtisch, legt seine Lesebrille ab und kommt mit ausgestreckter Hand seiner Besucherin, der Professorin Barbara Stein, entgegen. »Sie sehen mich geehrt und erfreut, um nicht zu sagen: entzückt!« Nach einem Händedruck, der fest ist und zupackend, geleitet er Barbara, die sich unversehens einer sehr männlichen und von ein wenig Kognak aromatisierten Aura ausgesetzt findet, an den Besuchertisch. Barbaras Blick

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