Schlangenkopf
misstrauischen Blick auf sein Gegenüber, aber an dessen Haar ist nichts weiter auffällig, außer dass es ein wenig lockig ist. Das war es, denkt Quadenheuve, aber schon die ganze Zeit. »Die Ermittler der Frankfurter Kriminalpolizei sehen das wohl anders«, erwidert er. »Die sind nämlich hierher unterwegs und wollen ihn einvernehmen … Können wir uns darauf einigen, dass über eine Aussetzung des Haftbefehls erst entschieden wird, wenn dieses Gespräch stattgefunden hat?«
Dingeldey zuckt mit den Achseln.
»Eine letzte Frage noch: Sie werden also keinen Haftbefehl gegen Olga Modrack erlassen?«
»Dass Sie hier keinen Richter finden werden«, antwortet Quadenheuve, »der eine Frau für ein bisschen Hausfriedensbruch und illegalen Waffenbesitz in Untersuchungshaft nimmt, hätten Sie sich eigentlich denken können.«
»Untertreiben Sie nicht?« fragt Dingeldey und steht auf. »Olga Modrack ist tief in die Vorkommnisse verstrickt, die zum Tod dieses Mannes in Frankfurt geführt haben. Ganz davon abgesehen, dass dort sehr wohl eine Schusswaffe zum Einsatz gekommen ist. Ich werde mir deshalb erlauben, Ihre Frankfurter Kollegen ins Bild zu setzen … Falls die Dame Olga dann aber trotzdem nicht mehr von den Ermittlern der Frankfurter Mordkommission einvernommen werden kann, weil sie nämlich zuvor hier bereits auf freien Fuß gesetzt worden ist – nun, Sie werden gewiss kein Problem haben, das den Kollegen verständlich zu machen. Irgendetwas wird Ihnen schon einfallen.« Dingeldey nickt dem Staatsanwalt zu und wendet sich zur Tür. »Einen guten Tag auch!«
Quadenheuve blickt ihm nach, ohne den Gruß – wenn es denn einer war – zu erwidern. Er wartet, bis die Türe zufällt, dann greift er zum Telefon und gibt eine Kurzwahl-Nummer ein.
»Quadenheuve hier«, meldet er sich, als abgehoben wird. »Habt Ihr noch diese Polin da? Diese Olga Sowieso von gestern Abend? … Nein, auf keinen Fall freilassen, ich muss erst ein paar Dinge abklären.«
B arbara Stein passiert die Kontrollen und nimmt den Aufzug zu dem Stockwerk, in dem sie das Büro des Abgeordneten Fausser finden wird. Ihre Assistentin Laura Ebenweiß hat ihr die Vorlesung abgenommen, trotzdem hat sie wenig Zeit. Also zwingt sie sich, ruhig zu bleiben und nicht durch die Korridore zu rennen. Auch wird sie sonst alles vermeiden, was Nerven kostet. Sie hat nämlich nicht mehr viele. Noch in der Nacht hat sie Berndorfs Zahnbürste, seinen Schlafanzug und einen Band mit Lichtenbergs Aphorismen nach Rostock in den Polizeigewahrsam gebracht, danach war sie direkt nach Berlin zurückgefahren, in ihre eigene Wohnung. Zwar ging dort keine Bombe hoch, aber an Schlaf war trotzdem nicht zu denken.
Berndorf ist also im Knast, und Zlatan ist verschwunden. Das eine ist insofern eine gute Nachricht, als Berndorf vorerst daran gehindert sein sollte, anderen Leuten einen Spaten auf den Kopf zu hauen. Bei Zlatans Abtauchen aber handelt es sich eindeutig um eine schlechte Nachricht. Alles, was sie bisher herausgefunden haben, hängt davon ab, dass Zlatan glaubwürdig ist. Aber wie glaubwürdig ist ein Zeuge, der seine Beine in die Hand nimmt, sobald das Blaulicht eines Streifenwagens am Horizont auftaucht?
Zwar ist Barbara angemeldet, aber in Faussers Büro ist eine untersetzte Frau mit angegrauter Staubwedelfrisur bereits dabei, den Schreibtisch aufzuräumen und sich ins Wochenende zu verabschieden. Die Frau stellt sich als Carmen Ruff vor, Faussers Sekretärin.
»Sie wissen, dass Herr Fausser erkrankt ist?« Dann fällt es ihr ein, dass sie darüber bereits am Telefon gesprochen haben. »Und Frau Jankewitz, die Wissenschaftliche Mitarbeiterin, hat einen Gleittag genommen. Vielleicht könnten Sie nächste Woche …?«
In einem nun doch energischeren Ton, als sie ihn sich vorgenommen hat, erklärt Barbara, dass sie nur eine Frage habe, die sich sicher schnell beantworten lässt. »Aber zuvor könnten Sie mir sagen, wie es ihm geht.« Dann fügt sie hinzu, dass sie am Mittwoch bei Fausser gewesen sei – nur um klarzumachen, dass sie über seinen Zustand Bescheid weiß.
Carmen Ruff wirft ihr einen misstrauischen Blick zu. »Da müssen Sie die Ärzte fragen … Aber sie haben ihn jetzt in eine Reha-Klinik nach Süddeutschland verlegt. Das heißt« – über ihr Gesicht huscht ein kleines boshaftes Lächeln – »es war seine Ehefrau, die darauf gedrängt hat. Aber was war jetzt Ihr Anliegen?«
»Christian Fausser hat vor Jahren im ehemaligen Jugoslawien einen
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