Schlangenkopf
denselben Leuten platziert worden ist, die die Freundlichkeit hatten, Sie so umgehend auf mich aufmerksam gemacht zu haben.«
»Kann es sein, dass Sie sich in ein Feindbild verbissen haben?«, fragt Kramer.
»Nichts gegen ein gutes, gestochen scharfes Feindbild«, antwortet Berndorf. »Nur rede ich von Leuten, die sich nicht zu erkennen geben. Die in Autos mit Kennzeichen herumfahren, zu denen es keine Auskunft gibt.«
»Und wenn es trotzdem Leute sind, denen man Glauben schenkt? Deren Hinweise nicht ignoriert werden können?«
»Wer ist man? Ich gewiss nicht.«
»Ein Haftrichter zum Beispiel.«
»Nun gut«, meint Berndorf. »Um den Haftrichter zu beeindrucken, erzählen meine Freunde also, dass Gefahr im Verzug sei. Was für eine Gefahr? Eine terroristische, versteht sich. Das ist wie ein Pawlowscher Reflex. Wenn Haftrichter das Wort terroristisch hören, geifern sie Haftbefehle. Und Zlatan Sirko ist Bosniake, also vermutlich Muslim, auch wenn ich ihn nicht ein einziges Mal beim Gebet ertappt habe. Aber einem Muslim ist heutzutage noch schneller das Etikett des Terroristen angeklebt als früher einem Langhaarigen.«
»Und wer ist denn nun dieser Sirko, wenn wir das Etikett wieder entfernen? Sie haben ihn doch näher kennen gelernt.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, antwortet Berndorf. »Er hat mir seine Geschichte erzählt. Kenne ich ihn deshalb? Ein Kellner in einem Hotel an der jugoslawischen Adria gerät in den Bürgerkrieg und weiß nicht, wie ihm geschieht, findet sich in einem Gefangenenlager wieder, vegetiert am Rand des Hungertodes vor sich hin und überlebt trotzdem und weiß nicht, warum, wird Jahre später um ein Haar totgefahren und überlebt schon wieder und weiß schon wieder nicht, warum … ein solcher Mensch – wie soll ich den kennen? Der kennt sich doch selber nicht mehr.«
»Sie sagten«, fragt Dotz, der die ganze Zeit mitgeschrieben hat, »er sei Kellner in einem Hotel an der Adria gewesen?«
»So hat er es mir erzählt. In den Achtziger Jahren muss das gewesen sein, vor dem Bürgerkrieg in Jugoslawien. Was stört Sie daran?«
Dotz schüttelt den Kopf. »Mich? Gar nichts. Er hat ja auch in Frankfurt in der Gastronomie gearbeitet, in Sachsenhausen, um genau zu sein. Hat da auch die reguläre Ausbildung als Restaurantfachmann abgeschlossen.«
Berndorf sagt nichts, sondern betrachtet – den Kopf etwas zurückgelegt – den Kriminalkommissar Manuel Dotz wie jemanden, den er eigentlich erst jetzt wahrnimmt. Aber der hat schon wieder den Blick auf seinen Notizblock gerichtet.
»Ich glaube«, wirft Kramer ein, »jetzt sind Sie es, den etwas stört.«
Berndorf schüttelt den Kopf. »Offenbar haben Sie das ganz große Schleppnetz ausgelegt, um Informationen über Sirko einzuholen. Folglich glauben Sie, was man Ihnen eingeflüstert hat – dass er ein Schläfer ist, ein verkappter Terrorist. Nun gut, dann ist Sirko eben kein Kellner, sondern ein Terrorist. Welche Erklärung gibt es dann aber dafür, dass dieser jetzt aktivierte Terrorist Sirko und sein deutscher Helfershelfer, also meine Wenigkeit, nicht etwa einen der Frankfurter Bankentürme attackiert haben, wofür es Gründe genug gäbe, sondern den Mercedes-Fahrer Giulio, wie war noch der Name?«
»Varsalone«, ergänzt Kramer. »Außerdem gibt es noch zwei Überlebende.«
»Mattia und Luca, gewiss doch, wie geht es ihnen denn?«
»Der Jüngere ist inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden, der Ältere wohl noch zur Beobachtung dort.«
»Haftbefehle haben Sie nicht erwirkt?«
»Wozu? Fester Wohnsitz, festes Arbeitsverhältnis bei einer etablierten internationalen Spedition. Außerdem behaupten die beiden Männer, sie seien mit ihrem Chef Varsalone zu diesem Haus gefahren, um einen Kostenvoranschlag für die Räumung des Hauses und die Lagerung der Möbel zu machen. Und dann seien sie plötzlich hinterrücks angegriffen und niedergeschlagen worden. Der Angreifer wird als ein etwa fünfzigjähriger Mann von athletischer Statur beschrieben.«
»Ach ja?«, fragt Berndorf. »Und was sagt die Erbin des Hauses zu dem Kostenvoranschlag?«
»Sie meinen Elfriede Watzkau?« Kramer zögert. »Deren Aussagen sind leider ein wenig diffus.«
»Was ist mit der Frau, die angeblich von den Stadtwerken kam?«
»Ja, da wird die Geschichte leider etwas unüberschaubar«, räumt Kramer ein. »Es ist richtig, dass die Watzkau erzählt, es sei eine Frau gekommen, die nach dem Gas habe sehen wollen. Natürlich wissen die Stadtwerke nichts
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