Schlangenkopf
wieder das Gespräch an sich – »in welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm?«
»In gar keinem«, gibt Berndorf gallig zurück. »Ich habe den Auftrag, ein Gewaltverbrechen aufzuklären, und tun muss ich dies vor allem deshalb, weil Ihre Berliner Kollegen keine Zeit haben, ihrer Arbeit nachzukommen. Vielleicht haben sie auch einfach keine Lust, weil es sich bei dem armen Teufel, der diesem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, um einen jungen Mann türkischer Abstammung handelt …«
»Herr Berndorf, bitte!«
»Ich bitte Sie!«, gibt Berndorf zurück. »Und zwar darum, mir keine weiteren Märchen über irgendwelche Kollegen zu erzählen. Der Hinweis auf mich und den Namen Sirko kam von anderer Seite. Ich nehme an: vom Bundesnachrichtendienst. Sie sollten diese Leute nicht als Kollegen ansehen.«
»Schade«, sagt Kramer und klingt fast traurig, »Sie bringen wirklich einen aggressiven Ton in unser Gespräch.«
»Aggressiv? Ich? Ich werde unter dem Vorwurf festgenommen, an einem Tötungsdelikt beteiligt zu sein, auf Deutsch: jemanden erschossen zu haben. Kein ganz geringfügiger Vorwurf, nicht wahr? Und worauf stützt er sich? Auf die Aussage einer Zeugin, an deren Hand Sie mit Sicherheit die Schmauchspuren aus der Tatwaffe hätten finden können, wenn Sie nur danach gesucht hätten …«
»Es gibt diese Schmauchspuren«, sagt Kramer leise, »und wir haben sie in der Tat an den Händen der Zeugin gefunden, von der Sie sprechen. Und die Fingerabdrücke an der Tatwaffe, das ist alles richtig.«
»Richtig ist dann aber auch«, wirft Dotz ein und blickt von den Notizen, die er sich gemacht hat, zu Berndorf auf, »dass Sie über Informationen verfügen, die nur jemand haben kann, der sich zur Tatzeit am Tatort aufgehalten hat. Sind Sie wenigstens so weit einverstanden?«
»Habe ich irgendetwas davon bestritten?«
»Aber wenn das so ist«, fährt Kramer fort, »dann müssten Sie auch wissen, dass diese Zeugin den tödlichen Schuss kaum abgefeuert haben kann. Giulio Varsalone – das ist der Tote – ist exakt mitten in die Stirn getroffen worden, und das mit einem Schuss durch das Türfenster. Diese bedauernswerte Frau aber ist nahezu blind.«
»Und?«, fragt Berndorf. »In der Bundesrepublik kommen im Jahr sieben Menschen bei Jagdunfällen ums Leben. Mal einer mehr, mal einer weniger. Diese bedauernswerten Menschen wurden alle von Jägern totgeschossen. In keinem dieser Fälle ist jemals Anklage wegen vorsätzlicher Tötung erhoben worden. Die Jäger haben also auf etwas geschossen, das sie nicht richtig gesehen haben. Folglich muss es sich ausnahmslos um Sehbehinderte gehandelt haben. Vielleicht ist das mit den Jägern ähnlich wie mit der katholischen Kirche.«
»Was hat denn die damit zu tun?«, fragt Kramer.
»Die Menschen fühlen sich immer zu dem hingezogen, von dem sie am ehesten die Finger lassen sollten«, antwortet Berndorf. »Die Sehbehinderten zur Jägerei und die Männer, die gerne Röcke tragen, zu einer Kirche, in der bei jeder Gelegenheit gegen die Homosexualität gepredigt wird.«
»Das führt jetzt aber etwas vom Thema weg«, meint Kramer. »Eigentlich hatten wir gehofft, Sie würden uns ganz einfach erzählen oder erklären können, was genau in diesem Haus abgelaufen ist.«
»Erklären kann ich es Ihnen nicht. Das könnten die Herren, die Sie aus Berlin angerufen haben, sehr viel besser«, antwortet Berndorf.
»Sie wollen doch sicher nicht auch noch das Wochenende in Haft bleiben?«
»Ach!«, sagt Berndorf, »dieser lächerliche Haftbefehl! Der hat eh keinen Bestand.«
»Ja?«, antwortet Kramer fragend. »Sie sind ganz sicher, dass der nicht doch noch unterfüttert werden kann?«
Berndorf will auffahren, lässt es dann aber doch bleiben. Er mustert Kramers Gesicht, und gleichzeitig ruft er sich den Ablauf des bisherigen Gesprächs in Erinnerung.
»Vorhin …«, so fragt er plötzlich, »warum haben Sie mich vorhin nach dem Verhältnis gefragt, in dem ich zu Zlatan Sirko stehe?«
»Ich will’s Ihnen gerne sagen«, antwortet Kramer und betrachtet seine Fingernägel. »Nur – wenn die Karten auf den Tisch gelegt werden sollen, müssen es beide Seiten tun.« Dann löst er seinen Blick von den Fingernägeln und betrachtet Berndorf. Ansonsten herrscht Schweigen.
S ie haben also noch eine Karte im Ärmel«, sagt Berndorf, »und sie betrifft Zlatan. Sie soll ihn diskreditieren und damit auch mich. Na schön. Wo kommt die Karte her? Um einen Schlapphut wette ich mit Ihnen, dass sie von
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