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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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davon. Andere Zeugen haben nach der Schießerei eine Frau in der Nähe des Hauses gesehen. Inzwischen hat man uns verständigt, wonach gestern Abend mit Ihnen auch eine Olga Sowieso festgenommen worden sei, in oder bei Rostock, und dass diese Frau Aussagen über die Vorkommnisse in der Trajanstraße machen könne.«
    »Diese Olga Modrack«, wirft Berndorf mit müder Stimme ein, »hat sich als eine Mitarbeiterin der Frankfurter Stadtwerke ausgegeben, und zwar nur deshalb, um sich so Zutritt zu dem Haus in der Trajanstraße zu verschaffen und dort einen weiteren Mord zu begehen. Zu diesem Zweck führte sie eine Schusswaffe mit sich. Sie ist gestern nicht mit mir zusammen festgenommen worden, sondern ich habe sie festgesetzt, um sie so an einem neuerlichen Mordversuch zu hindern. Wenn Sie die Modrack hier haben, stellen Sie sie der Watzkau gegenüber …«
    »Das ist das, was wir als nächstes tun werden«, antwortet Kramer. »Wir haben sie nämlich mitgebracht.«
    R adio Fünf Neunundsechzig hat sein Studio in Kreuzberg, in einem ehemaligen Depot der Berliner Verkehrsbetriebe. Es ist bereits später Nachmittag, und die hohen Werkstattfenster nehmen gerade noch so viel Tageslicht auf, dass sie sich wie graublaue Lichtbänder an den Wänden der Büros abzeichnen. Wanda Kuhlebrock hat eine Tischlampe mit einem altmodischen grünen Glasschirm eingeschaltet, der Lichtkreis erhellt Stapel von Prospekten und Fanpost.
    »Bitte nicht schon wieder die Birkin«, sagt Wanda Kuhlebrock. »Es geht nicht. Ich kann sie nicht mehr hören.« Er ist ein schlecht rasierter Mann zwischen vierzig und fünfzig Jahren, mit schon etwas schütterem Haar, aber einem offenbar frisch sanierten, blendend weißen Gebiss. »Um die Wahrheit zu sagen, Gnädige Frau, diese ganze Fick- und Bumsmusik geht mir allmählich so was vom am Arsch vorbei, Sie können sich kein Bild davon machen!« Er besitzt eine angenehme Altstimme, die er auch im normalen Gespräch mit sehr sorgfältiger Artikulation zur Geltung bringt. »Wenn es nach mir ginge – ich würde einen ganzen Abend lang den großen Johann Sebastian bringen, die Goldberg-Variationen , am besten von Glenn Gould gespielt, und dann die Kunst der Fuge , und später in der Nacht ein paar von den Modernen, Ligeti und Gorecki, oder die Sonatas and Interludes von Cage, ha!« Einmal mehr zeigt er sein tadellos weißes Gebiss. »Aber es geht nicht nach mir, nie geht es nach mir … Also, verehrte Gnädige Frau, ich werde mich bemühen, jeden Wunsch von Ihren Augen abzulesen – nur bitte kein Gainsbourg und auch keine Jane Birkin!«
    Die Besucherin, Barbara Stein, bittet sehr um Entschuldigung, auch gehe es ihr gar nicht darum, eben dieses Chanson noch einmal gespielt zu bekommen: »Obwohl ich’s von Zeit zu Zeit gerne höre. Aber jetzt suche ich jemand, der in der Nacht zum Mittwoch angerufen und erzählt hat, wie er eine Frau in einem Auto beobachtet hat, in einem Landrover, als gerade Viens entre mes reins lief …«
    »Waren Sie diese Frau?« Wanda Kuhlebrock hat sich vorgebeugt und betrachtet sie mit deutlich gestiegenem Interesse.
    »Nein, das war ich nicht, trotzdem hätte ich gerne Kontakt zu diesem Anrufer. Das heißt, genau genommen suche ich die Frau. Die Frau in dem schwarzen Landrover.«
    »Ich erinnere mich.« Wanda Kuhlebrock verzieht ihr Gesicht. »Das war damals übrigens hart an der Grenze. Der Anrufer war ein wenig knülle, und was er erzählt hat, ließ darauf schließen, dass er eigentlich ein Spanner ist. Worauf man sich nicht alles einlässt! Natürlich hatte das was – eine Frau allein in der Stadt unterwegs mit dem großen schwarzen Töfftöff. Sie hört natürlich Radio Fünf Neunundsechzig und fährt an den Straßenrand, als Jane Birkin am Kommen ist. Ha!« Wanda Kuhlebrock kann jetzt nicht anders. Er verdreht die Augen und fährt sich mit beiden Händen zärtlich über die Brust. Dann richtet er den Blick wieder auf Barbara. »Entschuldigung! Sie haben also ein Interesse an dieser Frau, darf ich das so sagen?«
    »Interesse, ja doch«, antwortet Barbara. »Diese Frau ist nämlich eine Mörderin.«
    »Oh!« Kuhlebrock richtet sich erschrocken auf. »Das ist aber ein Fall für die Polizei. Und für die Polizei bin ich nicht gern der Freund und Helfer.«
    »Das dachte ich mir«, meint Barbara. »Eben darum bin ich nicht zur Polizei gegangen, sondern zu Ihnen.«
    »Und warum gehen Sie nicht zur Polizei, wenn ich fragen darf?«
    »Weil die sich nicht dafür interessiert«, antwortet

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