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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Mann also seinem Notebook einen Namen gegeben hätte, sagen wir: Schreiberich, Erwin, Ostseestraße 35 a in Rostock, dazu die Vorwahl und die Kennziffer – wie könnte dann ein Fremder herausfinden, dass das gar keine Telefonnummer ist, sondern eine Kennziffer?
    Ganz einfach. Es wäre dann ein Eintrag, bei dem es keine Handy-Nummer gibt. Und dann ruft man an, und falls sich einer meldet, sagt man:
    »Oh Entschuldigung, ich hab mich verwählt …«
    Falls aber die Quäkstimme kommt und sagt:
    »Kein Anschluss unter dieser Nummer!«
    … dann weiß man, dass das gerade keine Telefonnummer, sondern eine Geheimzahl war. André will sich daranmachen, das Verzeichnis nach solchen Einträgen durchzusehen, doch in diesem Augenblick schlägt die Klingel an, André schrickt hoch, er kennt das Signal: kurz – kurz – lang, es ist das Zeichen, mit dem sich der Bilch immer gemeldet hat, am Anfang war die Elke ganz aus dem Häuschen, mach schnell auf, der Bilch! Später hatte sie es nicht mehr so eilig, und dann überhaupt nicht mehr …
    Aber was will der Bilch hier? Nie wieder soll er sich hier blicken lassen, hat die Elke zuletzt gesagt … Aber vielleicht ist es auch gar nicht der Bilch, sondern der Hausverwalter, der nur so tut, als wäre er der Bilch, vielleicht hat er ihn früher einmal beim Klingeln beobachtet. Aber für den Hausverwalter hat er 300 Euro aus der Briefmappe, die jetzt im Spülkasten liegt, und die Scheine hat er auch schon in einen Umschlag gesteckt, dass es aussieht, als wäre das Geld von seiner Großmutter.
    Wieder schlägt die Klingel an, kurz — kurz – lang, ich weiß, dass du da bist, heißt das, mach mir auf! André geht zur Tür und will auf den Öffner drücken, aber dann hört er, dass der Besucher schon im Haus ist und vor der Wohnung steht und mit den Fingern gegen die Tür trommelt, ta – ta – taa! Er öffnet, tatsächlich ist es der Bilch, ein verschwitzter Bilch mit verstrubbeltem Haar und so krumm, als seien sein Bauch und sein Aktenköfferchen viel zu schwer für ihn …
    »Endlich!«, stößt er heraus, »lässt du mich herein? Ich bleib nicht lang, ich muss nur kurz mal wieder zu Puste kommen …«
    André tritt zur Seite und lässt ihn herein, die Elke ist ja nicht da, und vielleicht geht der Bilch mit ihm später zum Hausverwalter, dann ist er nicht allein.
    »Die Elke ist nicht da? Das hast du doch gesagt«, fragt der Bilch, als er seinen hellen Mantel an den Garderobenständer im Flur hängt.
    »Nein, sie ist nicht da«, antwortet André. »In der Erholung ist sie.«
    »Du musst es ihr ja nicht sagen, dass ich da war«, meint der Bilch und geht zur Küche und wirft einen Blick hinein. »Da drin sieht’s ja ganz ordentlich aus«, lobt er, »da kann die Elke mit dir zufrieden sein …« Und ganz wie früher geht er zum Kühlschrank und macht ihn auf und wirft einen Blick hinein. »Oh nein!«, ruft er aus, als sei er wirklich erschrocken, »ein halbes Glas Mayonnaise, vermutlich sechs Wochen über das Verfallsdatum hinaus, ein Glas Erdbeermarmelade, fast ganz leer … Und davon lebst du?« Er dreht sich um und blickt André an, als sähe er ihn zum ersten Mal oder mit ganz anderen Augen. »Ganz hinten hab ich übrigens noch ein Glas mit Pulverkaffee gesehen – könnte ich mir davon wohl ein Tässchen aufgießen? Ein Tässchen Kaffee – für den armen alten Bilch wäre das … ach, ein Himmelsgeschenk wäre das!«
    »Ich mach schon«, sagt André und geht zur Spüle, füllt den Wasserkocher auf und stellt ihn an. »Aber Milch hab ich keine. Hast du ja gesehen.«
    »Macht nichts«, meint der Bilch, setzt sich an den Küchentisch und stellt sein Aktenköfferchen auf dem Boden ab. »Du bist ein perfekter Gastgeber. Aber sag mal, dein Arm ist ja gar nicht mehr verbunden?«
    »Brauch ich nicht mehr«, murmelt André und geht zum Geschirrschrank, wo er eine Tasse heraussucht, die noch keinen Sprung hat, und eine passende Untertasse dazu. »Das ist jetzt alles okay.« Dann fällt ihm ein, dass der Bilch auch einen Kaffeelöffel braucht und die Zuckerdose, und so geht er zur Schublade mit dem Besteck und zieht sie auf.
    »Das freut mich aber«, meint der Bilch, »ich hab mir schon richtig Gedanken gemacht wegen diesem Verband, weißt du das?« Plötzlich beugt er sich über den Tisch, denn er hat den Umschlag entdeckt, der dort liegt und mit der leeren Blumenvase beschwert ist. »Was ist denn das hier für ein feiner Umschlag, dass es ihn nicht wegwehen darf?«
    André sagt nichts,

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