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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Antwort »Und dass wir diskutiert hätten, ist zu viel gesagt. Ich hab ein Referat gehalten, und in der Aussprache hat er sich zu Wort gemeldet und auf einen auch für mich interessanten Aspekt hingewiesen …« Vorsicht!, warnt sie sich. Du trittst hier auf als jemand, der sogar eine gemeinsame Publikation mit Fausser plant. »Auf einen Aspekt, der mich sogar sehr interessiert hat.«
    »Sie meinen die Sache mit EuroStrat«, sagt die Jankewitz. »Dieser Komplex beschäftigt ihn allerdings schon lange.«
    »Komplex?«
    »Ja doch. So hat er es gesehen. EuroStrat ist in seinen Augen nicht bloß ein Rüstungskonzern, sondern sozusagen der Inbegriff des industriell-militärischen Komplexes in Europa, der sich die politischen Entscheidungen, auch die zwischen Krieg und Frieden, inzwischen nach seinen Rendite-Erwartungen maßschneidern lässt.« Ihre Hand beschreibt dazu ein Räderwerk, als sei sie eine Puppe, die zu oft herunterrasseln muss, was man ihr eingetrichtert hat. »Hat er mit Ihnen nicht darüber gesprochen? Wenn er sonst ein … einen Gesprächspartner findet, lässt er sich das nicht entgehen.«
    Du hast sagen wollen, denkt Barbara Stein: Wenn er sonst ein Opfer findet … Laut sagt sie: »In seinem Beitrag hat er sich mit EuroStrat auseinandergesetzt, das ist schon richtig. Ich fand, es war doch sehr konkret, was er vorgetragen hat … Mich hat allerdings vor allem eine Bemerkung interessiert, die er über die deutsche Rolle im Jugoslawien-Krieg gemacht hat.« Glatt ins Blaue hinein gelogen, denkt sie.
    »Ach, das! Vermutlich ging es um die Aufrüstung der kroatischen Armee im Sommer 1994. Genau das Thema, um bald zwei Jahrzehnte später den Wahlkreis Stuttgart Römisch Zwo zu verteidigen.«
    »Sie sagen das …« – Barbara Stein zögert einen Augenblick und überlegt, ob sie wohl gerade einen Treffer gelandet hat – »… mit einer gewissen Distanz?«
    »Distanz oder Nähe – das ist hier nicht die Frage«, antwortet Carla Jankewitz. »Um die Wahrheit zu sagen – Fausser war kein Team Player. Bestimmte Themen waren bei ihm Chefsache, und dann lag ihm nichts ferner als der Gedanke, er könnte auch einmal seine Mitarbeiter einbeziehen.«
    Barbara nimmt vorsichtig einen Schluck Kaffee – vorsichtig nicht deshalb, weil er so heiß wäre, sondern damit die irgendwie schaumige Automatenbrühe nicht aus dem Plastikbecher schwappt. Kann es sein, denkt sie und hat plötzlich die Besucherin in den hochhackigen Stiefeln vor Augen – kann es sein, dass es noch andere Bereiche gibt, in den Faussers Wissenschaftliche Mitarbeiterin sich nicht einbezogen gefühlt hat?
    »Darf ich Sie etwas ganz direkt fragen?«, sagt da die Jankewitz und fährt fort, ohne eine Antwort abzuwarten: »Welchen Eindruck hatten Sie von ihm? Wirkte er irgendwie erregt oder zornig?«
    »So kam er mir nicht vor, eher müde, angestrengt …« Barbara Stein überlegt. In Wahrheit erinnert sie sich nur an einen älteren Mann von nachlässiger Haltung, der sich eigentlich gar nicht mehr in die Debatte einmischen, sondern nur das eine Detail geraderücken will, über das er – warum auch immer – genau Bescheid weiß. »Er wirkte wie jemand, der seiner Sache sehr sicher ist … Sie sagten vorhin, Sie seien bei manchen Themen nicht einbezogen gewesen. Wären Sie es gewesen, was hätten Sie ihm denn geraten?«
    »Dass er auch einmal an seine eigene Fraktion denken soll, an seine eigene Partei.« Carla Jankewitz lacht kurz und unfroh. »Wer ist denn an der Regierung gewesen und hat das Sagen gehabt, als man sich auf diesen verfluchten Afghanistan-Einsatz einlassen musste? Oder glaubte, sich einlassen zu müssen … Ich hab ein paar Mal versucht ihm klarzumachen, dass er nicht noch nachträglich von diesem Zug abspringen kann. Aber das gehörte nicht zu den Dingen, die er sich von mir sagen ließ … Auch diese Jugoslawien-Geschichte ist so ein verdrehtes Ding von ihm. Wenn irgendjemand heute überhaupt noch eine Vorstellung von dem Bürgerkrieg da unten hat, dann hat diese Vorstellung etwas mit Srbrenica zu tun und den achttausend Menschen, die damals von den Serben umgebracht worden sind. Glauben Sie denn, dass sich heute irgendein Mensch noch für das Dutzend Panzer und die paar Hubschrauber interessiert, die damals an die Kroaten geliefert wurden, damit sie sich nicht auch noch von den Leuten dieses Milosevic massakrieren lassen mussten?« Sie hält die Hände an ihre Ohren. »Kein Schwanz will so was hören.« Dann nimmt sie die Hände wieder

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