Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Eheleuten, so dass Barbara sich gleich wieder zurückziehen will.
    »Kommen Sie nur«, sagt die Ehefrau mit etwas erhobener Stimme, um das Surren des Rasierers zu übertönen, »ich bin gleich fertig …« Barbara Stein tritt vorsichtig näher, bleibt aber doch in einigem Abstand vom Krankenbett stehen, wünscht einen guten Morgen und sieht zu, wie Brigitte Fausser ihrem Mann unters Kinn greift und es etwas anhebt, um die Halspartie bearbeiten zu können. Der Mann wirft Barbara Stein einen Blick zu, den sie nicht deuten kann, und schließt dann die Augen.
    »Es ist mir übrigens sehr recht, dass Sie gerade gekommen sind«, fährt die Ehefrau fort, immer noch mit dem Elektrorasierer die Halspartie bearbeitend, »ich muss nämlich noch zur Polizei, um Anzeige zu erstatten … Es ist ihm doch die Brieftasche gestohlen worden und sein Notebook, dass so etwas in einem Krankenhaus passiert, schrecklich! Und was auf dem Notebook alles gespeichert sein kann, da will ich lieber gar nicht dran denken!«
    Barbara Stein blickt fragend, entscheidet dann aber doch, nicht nachzuhaken.
    »Er ist nämlich Geheimnisträger, müssen Sie wissen«, fährt die Ehefrau fort, schaltet den Rasierer aus und blickt ihren Mann prüfend an, der die Augen abwendet. »Halbwegs manierlich«, stellt sie dann fest und wendet sich wieder Barbara Stein zu. »Lächerlich, diese Geheimniskrämerei in einem Land, das niemanden davor schützt, bestohlen und ausgeplündert zu werden!« Sie steht auf und geht zum Handwaschbecken, wo sie die Kappe des Rasierers abnimmt und ihn säubert. »Aber sprechen Sie ruhig mit ihm, es ist wichtig für ihn. Was die alte Schachtel von Ehefrau an ihn hinredet, das geht ihm doch nur auf die Nerven!«
    Barbara Stein fühlt sich verpflichtet, ihr zu widersprechen, aber Brigitte winkt nur müde ab. Außerdem muss sie jetzt wirklich gehen, und so verabschiedet sie sich von ihrem Mann, der mit einem Lidschlag antwortet, nickt Barbara zu und ist verschwunden. Barbara blickt ihr nach, dann wendet sie sich dem Krankenbett zu, ein alt gewordenes Menschenkind liegt darin, irgendwie gekrümmt, mit schief verzogenen Gesichtszügen und Augen, die sie offenbar mustern und wahrnehmen … aber ist mit dieser Musterung ein Erkennen verbunden? Warum fragt sie nicht? Dazu ist sie doch hier. Fragen Sie nur, hat ihr Marielouise Capotta gesagt, aber formulieren Sie Ihre Fragen einfach! Klar und einfach!
    »Ich bin Barbara Stein. Wir haben uns am Starnberger See kennengelernt. Erinnern Sie sich?«
    Auf dem Bildschirm leuchtet die Antwort auf: »Ja.«
    »Ich will mit Ihnen über eine Fotografie sprechen.« Sie holt den Zeitungsausschnitt mit der Aufnahme aus dem Lager Dretelj und zeigt sie ihm, den Ausschnitt links und rechts mit Zeigefinger und Daumen beider Hände haltend. »Erinnern Sie sich an diese Fotografie?«
    Die Augen blicken irritiert, unsicher, angestrengt. »Nein«, flackert es auf dem Bildschirm.
    »Halte ich den Ausschnitt richtig?«
    »Nein.«
    Sie schaltet die Nachttischlampe ein und dreht den Schirm so, dass Licht auf die Fotografie fallen kann. Dann hält sie ihm den Ausschnitt näher vor die Augen.
    »Nein.«
    Sie geht weiter zurück.
    »Ja.«
    »Erinnern Sie sich an dieses Bild?«
    »Ja.«
    »Waren Sie dabei, als dieses Bild gemacht wurde?«
    »Ja.«
    »Wurde diesem Mann geholfen?« Sie hält den Ausschnitt so, dass sie auf den ausgemergelten Mann in der Mitte deuten kann.
    »Ja.«
    »Waren Sie es, der diesem Mann geholfen hat?«
    »Ja.«
    »Heißt dieser Mann Zlatan Sirko?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, dass Sirko in Berlin lebt?«
    »Nein.«
    Schade, denkt Barbara Stein. »Erinnern Sie sich an General Jovan Mesic?«
    »Ja.«
    »Ist er ein Kriegsverbrecher?«
    »Ja.«
    »Stimmt es, dass er Waffen für Kroatien besorgt hat?«
    »Ja.«
    »Stammen diese Waffen aus Russland?«
    »Nein.«
    »Aber es waren russische Flugzeuge und Hubschrauber?«
    »Ja.«
    »Stammen diese Waffen …« Sie bricht ab, denn die Tür hat sich geöffnet und ein auffallend großer, trotz seiner weißen Haarmähne jugendlich wirkender Mann steht schon halb im Zimmer, die Hand noch auf der Klinke.
    »Ich bitte sehr um Entschuldigung«, sagt der Mann, »ich wollte nicht stören.«
    Die Stimme klingt angenehm. Ein Fraktionskollege Faussers? Nein, entscheidet Barbara. Zu elegant. Aber jemand, der sich für wichtig hält. Für sehr wichtig. Jedenfalls denkt er nicht daran, sich so schnell wieder zurückzuziehen. Sie wirft einen Blick auf den Bildschirm. Dort

Weitere Kostenlose Bücher