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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Gast, der jetzt doch noch einen zweiten Kahva bestellt und einen Slibowitz dazu.
    Seit die Rundschau dieses kleine Format hat, lässt sie sich gut durchblättern, unversehens ist Berndorf im Lokalteil, eine anständige Lokalzeitung müsste doch die Mitteilungen des Standesamts bringen – wer hat geheiratet, wer ist auf die Welt gekommen, und wer hat sie verlassen? Doch erst einmal stolpert er über eine Meldung:
    Klaa Paris trauert
um Johnny Watzkau
    Was ist das nun wieder?, fragt er sich und beginnt zu lesen:
    Im Alter von 87 Jahren ist eines der letzten Heddernheimer Originale, der Kunstsachverständige und Antiquitätenhändler Johannes »Johnny« Watzkau, friedlich entschlafen. Watzkau war ein profunder Kenner der heimatlichen Malerei des 19. Jahrhunderts und insbesondere der Kronberger Malerkolonie. Für alle, die ihn kannten, wird sein feiner Humor unvergesslich bleiben, gepaart mit einer unerschütterlichen Zuversicht in die Machbarkeit der Dinge. Präsidiumsmitglied der Heddemer Käwwern, hat er sich während Jahrzehnten unermüdlich für die Fastnacht in seinem geliebten Klaa Paris eingesetzt, wirkte im Festausschuss und als Kassenrevisor. Am Sonntag wurde er von einer Nachbarin tot in seinem Bett aufgefunden. Die Beisetzung findet in aller Stille statt.
    In den Artikel eingeblockt ist das Bild eines älteren bebrillten, sichtlich mürrischen Mannes, der auf seine große, voll erblühte Nase zu schielen scheint und von diesem Anblick offenbar nicht glücklicher wird. Berndorf legt die Zeitung zurück, und weil gerade ein Kellner in der Nähe ist, bittet er um die Rechnung und um ein Frankfurter Telefonbuch. Kurz darauf kann er bezahlen, und im Telefonbuch gibt es tatsächlich den Eintrag: Watzkau, J., Trajanstraße.
    Er legt das Telefonbuch zurück, und in eben diesem Moment spürt er – fast wie eine körperliche Berührung –, dass ihn jemand beobachtet. Er blickt auf, und quer durch die Gaststätte des Grill Dalmacija trifft sein Blick den des großen Mannes mit der schwarzen, weiß durchzogenen Mähne und der steilen Stirn. Der Mann, der sich von dem Barhocker wieder heruntergelassen hat und nun mit dem Rücken zum Tresen steht, wendet die Augen ab und seinem Begleiter zu. Der sitzt noch immer auf dem Hocker, mit dem Rücken zum Lokal.
    Berndorf hat keinen Grund, länger zu bleiben. Er zieht seinen Mantel an und geht hinaus auf die Straße, die hier und an diesem Abend voll ist von Passanten und Bummlern. Er schlägt den Weg zur nächsten U-Bahn-Station ein, dort wird es einen Stadtplan geben. Im Restaurant hatte er für einen Augenblick Zuversicht empfunden. Nun ist sie weg, wie verflogen an der frischen Luft.
    Es ist nichts weiter als eine Spekulation, dass Zlatan Sirko nach Frankfurt gefahren ist. Dass er dazu den Bus genommen hat. Dass er der Begleiter jener halbblinden Frau war, die wegen eines verstorbenen Verwandten nach Heddernheim muss. Dass dieser Verwandte der Antiquar mit der karnevalistischen Nase war: Alles ein Luftgebäude, aufgetürmt aus Vermutungen, eine auf die andere aufgesetzt. Das kann einen schon stören.
    Die Wahrheit ist: Schon wieder hat er das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben.
    E s war Sommer geworden, und in der Stadt waren jetzt auch andere Soldaten. Sie trugen saubere Uniformen und fuhren lässig in ihren Jeeps an den Ruinen und Schuttbergen vorbei, und wenn ihnen der Junge den Weg zu einem der Keller zeigte, in denen Frauen warteten, steckten sie ihm Zigaretten zu und Konserven mit Dosenfleisch. Am besten waren Zigaretten, einmal gab er welche einem Mädchen, damit es dafür Essen eintauschen konnte für sich und ihren kleinen Bruder …
    Bei dieser Szene lässt André das neue Heft sinken, das er sich erst am Nachmittag geholt hat, und überlegt. Es sind verschiedene Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, er muss an das Mädchen von heute Morgen denken, das mit dem Nachthemd unterm Parka, und er stellt sich vor, wie das in einem Comic aussehen würde – dieser Moment, als er auf das Mädchen blickt und sie ihm die Zunge herausstreckt. Aber dann müsste der Comic ja weitergehen, und irgendwann müssten der Junge und das Mädchen sich wiedersehen, es wäre ja blöd, so etwas zu zeichnen und dann keine Fortsetzung dazu zu haben, vielleicht würde der Junge dann dem Mädchen die Zunge herausstrecken. Ärgerlich schüttelt er den Kopf, denn jetzt hat er den Jungen aus dem Comic mit sich selber durcheinandergebracht, das geht nicht. Trotzdem weiß er, dass etwas

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