Schlangenküsse
Chance zu geben, hinter mir die Tür zu schließen. Unsere Lampen brauchten wir nicht. Die schwache Notbeleuchtung reichte völlig aus. Sie zeigte ein Bild, das uns im ersten Augenblick enttäuschte, denn wir waren nicht in den Bereich hineingelangt, in dem sich die normalen Besucher aufhielten. Wir standen in einem recht engen Flur, von dem drei Türen abzweigten. Zwei rechts und eine links direkt vor uns.
Suko öffnete die an der Seite.
Ein dunkler Raum lag vor ihm. Mit der Lampe leuchtete er ihn aus. Es war nichts Verdächtiges zu sehen. Hier standen Eimer und Kisten. Auch Schläuche hingen aufgerollt an der Wand. Sie erinnerten mich an schlafende Schlangen.
Werkzeuge fielen uns ebenfalls auf. Sie standen neben dicken, gefüllten Säcken. Es waren Schaufeln, aber auch Gabeln mit drei Zinken und andere mit zwei, die dicht zusammenlagen. Für mich waren es Schlangenfänger.
Suko zog die Tür wieder zu. Was es hier zu sehen gab, interessierte uns nicht.
Ich öffnete die an der gegenüberliegenden Seite. Dieser Raum – viel größer als der erste – war wohl das Herz des Reptilienhauses. Hier standen all die Geräte und Maschinen, die dafür sorgten, dass sich die Insassen wohlfühlten.
Hier wurde das Klima geregelt. Hier stellte sich die entsprechende Luftfeuchtigkeit für die Terrarien ein. Hier befand sich auch die zentrale Wasserversorgung.
Der Raum war menschenleer und in der Nacht nicht besetzt. Bisher hatten wir keine Spuren irgendwelcher Menschen entdeckt, die zur Schlangensekte gehört hätten.
»Wenn überhaupt, dann sind sie im Mittelpunkt des Hauses. In den Terrarien«, sagte Suko.
»Wollen wir es hoffen.«
Er lachte leise. »Meinst du, sie wären woanders?«
»Ich traue ihnen alles zu.«
Wir zogen uns jedenfalls zurück, denn die dritte Tür war am wichtigsten.
Bisher hatten wir Glück gehabt, und so gingen wir davon aus, dass auch diese Tür nicht verschlossen war.
Sie war es nicht, und endlich traten wir in das Zentrum des Hauses ein. Es war die lautlose, die irgendwie unheimliche und gefährliche Welt mit Bewohnern, die den meisten Menschen Angst einjagten. Besonders wenn das Licht nicht sehr hell schien wie hier, sondern sich schwammig verteilte. Es schien aus zahlreichen kleinen Verstecken zu fließen und verteilte sich über den mächtigen Terrarien, die sich auf Stahlbeinen gegenüberstanden, so dass sich zwischen ihnen ein recht breiter Gang befand.
Durch ihn bewegten sich die Zuschauer, die an den dicken Glasscheiben vorbeidrängten, um in die Kästen hineinzuschauen.
Wir waren nach dem Schließen der Tür stehen geblieben, um zu lauschen, ob sich irgendwo jemand aufhielt, der sich durch Flüstern oder Reden bemerkbar machte.
Nichts Verräterisches drang an unsere Ohren. Es herrschte eine schon unheimliche Stille. Auch die dicken Wände der Terrarien schluckten die Innengeräusche, falls es welche gab.
Langsam bewegten wir uns vor. Wir waren noch nicht in den unmittelbaren Bereich der Schlangen gelangt, sondern sahen hier andere Lebewesen, die ebenfalls zur Gattung der Kriechtiere gehörten.
Diffuses Licht, das auch gut in einen Gruselfilm gepasst hätte, strömte uns durch die Scheiben entgegen und ließ den Blick in das Innere zu. Ich hatte mir vorgenommen, mich nicht zu erschrecken, zuckte aber trotzdem zurück, als ich plötzlich ein sehr großes Tier sah, dass seinen langen Schwanz und auch den hinteren Teil seines Körpers zusammengerollt hatte, aber nicht schlief, sondern mich anschaute und seine lange Zunge aus dem spitzen Maul schnellen ließ, als wollte es mich damit berühren. Dabei touchierte die Zungenspitze nur die Innenseite der Glasscheibe und hinterließ dort feuchte Flecken.
Es war tatsächlich ein Tier aus der Urzeit, das hier sein Leben fristete. Ein Waran! Wenn ich daran dachte, wann es ihn schon gegeben hatte, bekam ich einen Schauer. Heutzutage fand man ihn nur sehr selten in den Urwäldern Indonesiens.
»Hallo, Kumpel«, flüsterte ich. »Schade, dass du mir nichts aus deiner Zeit erzählen kannst.«
Der Waran drehte seinen Kopf zur Seite. Ich war nicht interessant. Er bewegte sich auf sein Wasserbecken zu, das schon einem kleinen Teich in einem nachgebauten Stück Urwald innerhalb des Terrariums glich, und fing an zu trinken.
Suko war schon weiter vorgegangen. Er stand vor einem Terrarium, in dem sich zwei recht große grüne Leguane aufhielten. Sie lagen auf verschiedenen Ästen, schliefen und ließen sich nicht stören.
In anderen Terrarien
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