Schlangenküsse
Wirklichkeit war. Sein Auftreten hatte nichts Freundliches an sich.
»Moment«, sagte Suko und trat vor. »Wir möchten Ihnen etwas erklären.«
»Ach ja?« Breitbeinig blieb er vor uns stehen. In der Dunkelheit gab seine Lederweste ein feuchtes Schimmern ab. Das kam uns zumindest so vor. »Hier gibt es nichts zu erklären. Ihr seid hier eingedrungen. Zwei Diebe oder was auch immer. Das Gelände ist für euch tabu. Aber ich wusste ja, dass ich euch verdammte Dealer irgendwann mal erwischen würde.«
»Da liegt wohl ein Irrtum vor, Mister, und...«
»Von wegen, Arschloch.« Auf Grund seiner Größe fühlte er sich sehr sicher. »Das hat für euch ein Nachspiel.«
»Was treiben Sie denn hier?«, fragte ich. »Den Geräuschen nach zu urteilen, war es keine Tierpflege.«
»Willst du auch was vor dein Maul haben?« Er kam einen Schritt näher und plusterte sich noch mehr auf.
Das war einer von den Schautypen aus der Muskelbude. Viel Körper, etwas weniger im Kopf. Irgendwo musste es auch bei denen einen Ausgleich geben.
Die Tür hinter ihm wurde weiter aufgestoßen. »He, Andy?«, fragte eine quäkige Frauenstimme. »Was ist denn los? Mit wem unterhältst du dich da? Du hast doch gesagt, dass wir Ruhe haben und alleine hier sein können.«
»Bleib weg, Susan. Ich muss hier was erledigen!« So hätte auch ein Westernheld sprechen können.
Aber er war weder Django noch Terrence Hill oder John Wayne. Er wollte nur den dicken Max markieren und hatte sich Suko als Ersten ausgesucht. Auch wenn er uns für Dealer hielt, wir konnten uns nichts gefallen lassen.
»Lieber nicht«, warnte Suko ihn, »es könnte gefährlich für Sie werden, Meister.«
»Irrtum, für dich!«
Er wollte es locker machen und Suko einen heftigen Stoß vor die Brust versetzen. Er war auch schnell, als er seinen rechten Arm nach vorn rammte, aber er war nicht schnell genug für meinen Freund, der blitzschnell auswich.
In den folgenden Sekunden erhielt der Muskelmensch mit den superkurzen Haaren eine Lehrstunde erteilt, was das Gebiet der Kampftechnik anging.
Mein Freund fing die Hand geschickt und zielsicher ab. Er umklammerte das Gelenk des Schlägers, drehte den rechten Arm blitzschnell herum und trat dem Knaben zugleich die Beine weg.
Der Blonde lag in der Luft. Wir hörten seinen überraschten Schrei, dann landete er auf dem Boden. Suko hatte ihn losgelassen und stieß ihm mit dem Schuh gegen die Schulter.
So kippte der Blonde auf den Rücken und blieb zunächst mal liegen, ohne sich zu bewegen. Er musste einen Schock bekommen haben. Dass jemand besser war als er, damit hatte er wohl nicht gerechnet.
Wir hörten die heftigen Schritte und auch das Keuchen. Von der Tür hatte sich die Frau gelöst und wollte uns anschreien, doch sie überlegte es sich anders und fiel neben ihrem Helden auf die Knie.
Sie war ziemlich gut dabei. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig. Ihr Haar hing wirr zu beiden Seiten des Kopfes herab nach unten. Es war dunkel und stark gegelt.
Sie sprach flüsternd auf ihren Andy ein, der auf dem Rücken lag und leise vor sich hinstöhnte.
Suko schüttelte den Kopf. Er nickte mir zu. »Ich weiß auch nicht, was sich diese Typen manchmal rausnehmen.«
Susan hörte auf, ihn zu betätscheln. Sie schaute zu uns hoch. »Verdammt, was habt ihr mit ihm gemacht?«
»Ich habe mich nur gewehrt«, erklärte Suko.
»Und er hat seine Pflicht getan.«
»Klar.« Suko konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Das haben wir gehört.«
Die Worte lagen schon auf ihrer Zunge. Susan verschluckte sie und ballte die Hände zu Fäusten. »Das ist verrückt!«, fuhr sie uns an. »Einfach nur verrückt.«
»Was hatten Sie hier zu suchen?«
»Das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.« Trotzig reckte sie ihr Kinn vor und stand dann auf.
»Abgesehen davon, was wir gehört haben«, sagte ich, »Sie scheinen nicht in offizieller Mission hier zu sein.«
»Wer sagt das?«
So leicht ließ sich Susan nicht die Butter vom Brot nehmen. Ich konnte mir wieder das Lächeln nicht verkneifen, als ich sah, wie sie vor mir stand. Die Arme angewinkelt, die Fäuste in die Seiten gestemmt, und ein Blick, in dem Feuer brannte.
»Ich sage das!«
Sie schaute auf meinen Ausweis, den ich in der Hand hielt. »He, was ist das?«
Ich holte meine Lampe hervor und leuchtete das Dokument an. Erst schaute Susan unsicher. Dann schob sie ihren Kopf vor. Auch ihr Gesicht geriet in den Schein der Lampe. Sie hatte einen breiten Mund und sehr große Augen.
»Scotland
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