Schlangenküsse
Erst zweimal eine Nacht durchwacht zu haben, da brauchten sie nichts gesehen zu haben. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass sie zu der Gruppe zählten.
»Sind noch andere Kollegen von Ihnen hier auf dem Gelände?«
»Nein, nur wir«, sagte Susan.
Dann hatten wir Pech gehabt. Aber es war auch nicht damit zu rechnen, so schnell einen Erfolg zu erreichen. Wie die beiden erzählten, kannten sie sich aus. So erfuhren wir, dass der vordere Eingang zu den Reptilienhäusern zwar abgeschlossen war, dass es aber noch hintere Zugänge gab. Sie wurden in der Nacht nur geschlossen, aber nicht abgeschlossen. Angeblich aus Feuerschutzgründen. Notausgänge mussten immer offen bleiben.
»Zudem wird wohl niemand so dumm sein und sich mit den Reptilien anlegen«, meinte Susan.
»Da könnten Sie Recht haben. Nur ist es für uns wichtig. Okay, wir bedanken uns für Ihre Informationen und würden Sie dann bitten, die Umgebung hier so schnell wie möglich zu verlassen.«
Andy schaute mich an, als hätte er mich nicht verstanden. »Warum das denn? Kann es gefährlich werden?«
»Das ist schon möglich.«
Er gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. »Kann es wirklich gefährlich werden?«
Ich blickte in sein Gesicht, in dem sich schon wieder ein willensstarker Ausdruck zeigte. »Ein kleines Geheimnis müssen Sie uns noch lassen.«
»Ja, wie Sie wollen, Mr. Sinclair. Dann machen Susan und ich jetzt Feierabend.«
»So hatten wir uns das gedacht. Führen Sie woanders fort, was Sie hier begonnen haben.«
Trotz der Dunkelheit sahen wir, dass beide einen roten Kopf bekamen. Sie wussten auch, dass wir uns nicht erweichen ließen, hoben die Schultern und nickten anschließend.
»Was immer Sie Vorhaben, viel Glück«, sagte Susan, bevor sie ihren Kollegen am linken Arm fasste und ihn wegzog.
Sie gingen in die entgegengesetzte Richtung weiter, entfernten sich schnell aus unserem Sichtbereich, und neben mir atmete Suko tief durch.
»Glaubst du ihnen, John?«
»Eigentlich schon.«
»Aber wir hatten noch nie etwas darüber gehört, dass hier auf dem Zoo-Gelände gedealt wird.«
»Nein, aber wir sind auch keine Experten.«
»Sollen wir sicherheitshalber die Kollegen anrufen? Die können sich ja dann erkundigen, ob...«
Ich winkte ab. »Lass es. Unsere Schlangenmenschen sind wichtiger.«
»Wie du willst.«
Es war wieder still geworden. Das heißt, die üblichen Geräusche drangen trotzdem noch zu uns hin. Irgendein Kakadu oder Papagei schien besondere Schwierigkeiten zu haben, denn sein Schreien hörte sich richtig wütend an.
Wir kümmerten uns wieder um die nähere Umgebung. Es gab einen Durchgang zwischen den beiden Reptilienbauten. Ein mit breiten Steinen belegter Weg. Dazwischen wucherte Gras wie ein alter Bart, der nie geschnitten wurde. Der Weg wirkte zudem wie ein Kanal, durch den der Wind wehte und unsere Gesichter erwischte.
Große Bauten und manchmal kleine Türen an den Rückseiten. In der Nähe standen zwei mächtige Bäume, die ihre krummen Äste der Wand des Gebäudes entgegenreckten. In der Dunkelheit sahen sie aus wie Greifarme, die über uns schwebten.
Auch hier war kein Laut zu hören. Nur der Wind fing sich an der Ecke. Auch hatte ich den Eindruck, dass die Temperatur gestiegen war. Zeit wurde es dafür. Schließlich hatten wir Anfang April.
Suko kümmerte sich um die stabile Tür. Sie war verschlossen, aber nicht abgeschlossen, denn Suko konnte sie öffnen. Er ging dabei sehr behutsam zu Werk, um unnötige Geräusche zu vermeiden.
Die Angeln der Tür waren gut geölt. Es entstanden so gut wie keine Geräusche, und Suko nickte mir zu, als er die Tür so weit wie möglich offen hatte, um uns einzulassen.
»Sie zuerst, Mister«, sagte Suko grinsend.
»Danke.«
Ich drängte mich an ihm vorbei. Eine Sekunde später ging ich den ersten Schritt in das große Reptilienhaus hinein...
***
Ich hatte schon schlimmere Dinge in meiner Laufbahn erlebt. Da war dies eigentlich harmlos. Dennoch war ich gespannt wie ein Bogen, die von der Nervosität her stammte, die mich umfangen hielt. Von einer Angst wollte ich nicht sprechen. Es war eben dieses Wissen, eine unbekannte Welt zu betreten, die eigentlich menschenfeindlich war, auch wenn diese Feinde hinter einem starken Glas der Terrarien verborgen blieben. Zuerst sah ich davon nichts. Nur die Luft war hier anders. Feucht und tropisch. Nicht so schlimm wie im Dschungel. In Relation zu der Luft draußen kam sie mir jedoch so vor.
Ich blieb stehen, um Suko die
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