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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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blieb, ich wollte Drury auftauchen sehen. Luke hatte mir versichert, dass der westliche Gezeitenstrom im Hafen von Weymouth einen im Wasser treibenden Körper zu den Pontons tragen würde, aber mir war die Situation nicht ganz geheuer, ich wusste nicht, wie gut Drury schwamm. Als sein Gesicht aus dem Wasser emporschoss, starrten wir einen Moment lang einander an, dann hob ich einen Finger zum kurzen Gruß und wandte mich ab.
    »Wir sollten die Polizei rufen«, sagte Sam, der tief durchatmete, um sich zu beruhigen, und dabei den Mann beobachtete, der zum Ufer schwamm.
    »Das kann er selbst tun, wenn er will. Er weiß unsere Adresse.« Ich ging zum Wagen zurück. »Aber er wird es nicht tun. Er wird den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass damit die Sache ausgestanden ist.«
    »Und, ist sie das?«, fragte er, mir folgend.
    »Bei weitem nicht«, antwortete ich vergnügt und machte die Mitfahrertür auf. »Er muss noch für Annie büßen, und das wird erst dann passieren, wenn er in jeder Zeitung dieses Landes dick und fett als Rassist angeprangert wird.« Ich setzte mich in den Wagen. »Komm schon«, rief ich, während ich mich anschnallte, »machen wir, dass wir hier wegkommen. Der Kerl ist gefährlich. Wenn er dich nicht anzeigt, heißt das noch lange nicht, dass er dir nicht bei nächster Gelegenheit das Genick bricht.«
    Sam rutschte hinter das Steuer, ließ den Motor an und drehte sich in seinem Sitz herum, um den Wagen rückwärts auf die Straße hinauszufahren. »Den hätte ich vor zwanzig Jahren fertig machen sollen«, sagte er und zog das Lenkrad herum. »Und ich hätte es auch getan, wenn ich ihm nicht geglaubt hätte.«
    »In Bezug auf Annie, meinst du?«
    »Nein«, knurrte er. »In Bezug auf seine Behauptung, dass du hinter ihm her warst. Ich weiß, es klingt jetzt absurd, aber damals erschien es mir durchaus einleuchtend ... deine plötzliche Ablehnung mir gegenüber nach Annies Tod, deine stundenlangen Besuche auf dem Polizeirevier, deine Bereitschaft, mit ihm zu sprechen, aber nicht mit mir.« Er legte den ersten Gang ein und lenkte den Wagen auf die Straße hinaus. »Ich fing an zu glauben, er wäre mehr dein Typ als ich.«
    »Ist doch klar«, sagte ich trocken und beugte mich zu ihm hinüber, um seinen Gurt festzumachen. »Er hatte ja schließlich alles, worauf ich bei einem Mann Wert lege –
Haare
, eine Uniform, ganz zu schweigen von einem Riesenschwanz, der jederzeit einsatzbereit war.«
    Er lachte verlegen. »Ich meine es ernst. Ich war unglaublich eifersüchtig, aber ich dachte, nach der Geschichte mit Libby hätte ich bei dir nichts mehr zu melden. Dann bist du schwanger geworden, und ich habe mich nur gefragt, ob das Kind von mir ist oder von Drury – ich war so durcheinander, dass ich nur noch weg wollte, als du bereit warst, es noch einmal zu versuchen. Mein einziger Wunsch war, das alles hinter mir zu lassen und noch einmal neu anzufangen.«
    Ich war fassungslos. »Du hast geglaubt, Luke wäre von Drury?«
    Er nickte.
    »Um Gottes willen! Wie bist du denn darauf gekommen?«
    Er nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ den Wagen ausrollen. »Wir haben in dieser ganzen schrecklichen Zeit nur ein einziges Mal miteinander geschlafen«, sagte er seufzend, »und da habe ich dich dazu gezwungen, und du hast zu mir gesagt, du wolltest mich nie wiedersehen. Du hast mich wirklich gehasst in dieser Nacht – und ich konnte einfach nicht glauben, dass aus etwas, was unter so viel Hass und Hässlichkeit geschehen war, etwas so Großartiges hervorgehen könnte.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber warum hast du denn nichts gesagt?«
    »Weil es keine Rolle spielte«, antwortete er. »Ich habe Luke immer als meinen Sohn angesehen, ganz gleich, ob er es wirklich war oder nicht.«
    Ich fühlte mich klein. Wären unsere Rollen vertauscht gewesen – hätte Libby ein Kind von Sam geboren –, so hätte ich nicht so großherzig sein können. »Aber natürlich ist er dein Sohn«, sagte ich und strich ihm mit dem Handrücken leicht über die Wange. »Du hättest niemals daran zweifeln sollen.«
    Er neigte den Kopf zur Seite und hielt meine Hand auf seiner Schulter fest. »Ich habe auch schon lange nicht mehr daran gezweifelt – jedenfalls seit Toms Geburt nicht mehr. Die beiden waren einander ja so ähnlich.« Er lachte plötzlich. »Dann musstest du mich zum Mittagessen hierher schleppen, damit Drury dich anstarren konnte, und ich dachte, ist das der erste Schritt, dem Kerl beizubringen, dass mein

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