Schlangenlinien
und Tod.«
»Dann hätten Sie Ihr Gewissen entlasten sollen, indem Sie uns damals die Wahrheit sagten«, versetzte Drury bissig, »anstatt die Untersuchung zu behindern, nur weil Sie die Hände nicht von der Freundin Ihrer Frau lassen konnten.«
Er hätte besser daran getan, Libby nicht zu erwähnen, dachte ich insgeheim belustigt, als ich sah, wie Sam die Zornesröte in die Wangen schoss. Mit Schuldzuweisungen konnte man meinen Mann immer in Rage bringen.
»Sie selbst haben uns gesagt, es würde keine Untersuchung geben«, fuhr er Drury heftig an. »Ich erinnere mich ganz deutlich daran. Sie kamen am nächsten Tag ins Haus, um uns den Obduktionsbefund mitzuteilen. Eindeutig, sagten Sie – ein Unfall, ohne Zweifel – keinerlei Hinweis auf ein Verbrechen. Und ich erinnere mich auch an Ihre Bemerkung, dass der Fall unverzüglich der Kriminalpolizei übergeben worden wäre, wenn an der Todesursache auch nur die geringsten Zweifel bestanden hätten.«
»Es gab keine Zweifel, Mr. Ranelagh. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn Sie nicht gelogen hätten – aber wir konnten uns bei unserer Arbeit nur auf die Informationen stützen, die uns vorlagen.«
Sam strich sich mit einer Hand über die kahle Stelle an seinem Scheitel, während er an Drury vorbei zu den Lichtern auf der anderen Seite des Wassers blickte. »Jock und ich haben überhaupt erst am Donnerstagabend eine Aussage gemacht, als man uns bat, uns zu der Aussage zu äußern, die Libby Williams am Tag zuvor gemacht hatte, nämlich, dass ihr Mann, Jock Williams, bei mir war.«
»Ach, jetzt geben Sie Mrs. Williams die Schuld?«
»Nein. Ich weise Sie nur darauf hin, dass für Sie schon gut vierundzwanzig Stunden, bevor Jock Williams und ich auch nur einen Ton gesagt hatten, feststand, dass es sich um einen Unfall handelt.« Er sah Drury nachdenklich an, als sei er dabei, ein früheres Urteil über den Mann zu revidieren. »Hätte es denn irgendetwas geändert, wenn wir die Wahrheit gesagt hätten? Hätten Sie nicht einfach behauptet, der Lastwagen hätte sie angefahren, nachdem das Paar im Auto sie gesehen hatte, und bevor ich sie in der Gosse liegen sah?«
Drurys Schweigen war Antwort genug.
»Sie haben mich mehrmals im Büro angerufen«, fuhr Sam fort, »um mir mitzuteilen, dass meine Frau an einer klassischen Reaktion auf schweren Stress leide und dringend psychiatrische Hilfe brauche. Sie erklärten, Sie hätten solche Reaktionen schon früher erlebt, und Sie veranlassten die davon Betroffenen zu immer wilderen Beschuldigungen und Anklagen.«
»Und Sie stimmten jedem meiner Worte zu, Mr. Ranelagh, auch der Notwendigkeit einer offiziellen Verwarnung.«
Sam verschränkte die Arme und starrte zum holprigen Pflaster hinunter, als wäre dort Sicherheit zu finden. »Hatte ich denn eine Wahl?«, fragte er. »Sie verlasen mir einen ganzen Katalog von Beschwerden gegen sie – sie stehle der Polizei die Zeit – hätte falsche Anschuldigungen gegen Derek Slater erhoben – frei erfundene sexuelle Übergriffe angezeigt, um Mitleid zu erwecken – belästige Sie mit Anrufen und Besuchen, weil sie krankhaft auf Sie fixiert sei.« Er hob den Kopf. »Sie waren von der Polizei. Ich musste davon ausgehen, dass Sie mir die Wahrheit sagten.«
»Was ich sagte, muss mit Ihrer eigenen Meinung übereingestimmt haben«, versetzte Drury, »sonst hätten Sie Ihre Frau doch gegen diese ‘Beschwerden’ verteidigt.«
Sam antwortete mit einer unsicheren Handbewegung. »Ich war gar nicht in der Lage, sie zu verteidigen. Ich hatte sie seit beinahe drei Wochen nicht gesehen, und das eine Mal, als sie mich anrief, war sie völlig hysterisch. Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte, deshalb rief ich ihre Eltern an und bat sie, ihr zu helfen.« Er schwieg einen Moment, während er sich die Fakten ins Gedächtnis zurückrief. »Aber da hatten Sie meine Schwiegermutter bereits davon überzeugt, dass eine offizielle Verwarnung meiner Frau vor ihrer Familie das beste Mittel wäre, die Situation in den Griff zu bekommen. Sie muss sich gründlich schämen, dann wird sie aufhören, die Zeit der Polizei zu verschwenden. So haben Sie es formuliert.«
Einen Moment war es ganz still.
»Dann hat es ja bestens geklappt«, sagte ich leichthin. »Lieber hätte ich mir die Zunge herausgerissen, als noch ein einziges Wort zu Mr. Drury zu sagen – oder zu dir und meiner Mutter, Sam. Ihr habt beide dagestanden und zugesehen, wie dieser brutale Mensch mich eingeschüchtert hat, dass ich es
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