Schlangenlinien
dabei gleich Pleite zu gehen.«
Gespannt sahen sie mich an. Was hielt ich davon?
Ich nickte, lächelte und sagte, die Idee sei ganz prima. Aber ich wusste, dass sie niemals verwirklicht werden würde. Weil Danny mir niemals verzeihen würde, was ich schon bald seiner Familie antun würde.
Am folgenden Montag besuchte ich Michael Percy im Gefängnis auf Portland. Es war bedrückend, weil ich ständig daran denken musste, wie vergeudet so ein Leben hinter Mauern war. Der finstere Anblick des Gefängnisses, eine trutzige alte Festung, einsam auf hohem Fels mit Blick auf den Hafen, trug vielleicht das seine dazu bei, dass mich ein Gefühl von Sinnlosigkeit und Verschwendung beschlich. Jedenfalls nahm ich die Isolation von der Außenwelt sehr stark wahr und fragte mich, ob es den Insassen ähnlich erging.
Das Wetter war stürmisch, und der Wind riss an meinem Haar und meinen Kleidern, als ich einer Schar ähnlich windgepeitschter Gestalten folgend von meinem Wagen zum Haupttor eilte. Ich hielt mich hinter der Gruppe, nicht bereit, meine Unsicherheit vor diesen Leuten zu zeigen, die, nach ihrem selbstverständlichen Verhalten zu urteilen, bestimmt schon hundertmal hier angestanden hatten, um ihre Besuchserlaubnis vorzulegen.
Ich dachte an Bridget, die sich Monat für Monat, Jahr für Jahr dieser Prozedur unterzog, und fragte mich, ob die Besuche für sie Anlass zur Freude waren oder ob sie sie eher deprimierten. Ich selbst wurde von einer Wiederkehr der Agoraphobie von vor zwanzig Jahren erschreckt, als ich, in ständiger Angst, beobachtet zu werden, unfähig gewesen war, auch nur einen Schritt aus dem Haus zu gehen. Vielleicht hatte es mit den Uniformen der Vollzugsbeamten zu tun oder mit der körperlichen Berührung bei den Durchsuchungen oder mit der Tatsache, dass ich an einem Tisch sitzen und warten musste, bis Michael zu mir geführt wurde. Ganz gleich, ich hatte ständig das Gefühl, dass aller Blicke auf mich gerichtet waren und dass diese Blicke voller Feindseligkeit waren.
Sein Erscheinen war eine Erleichterung, und ich sah ihm freundlich entgegen, als er sich mir näherte. Neigung lässt sich eben nicht erklären, dachte ich. Er war so schlimm wie Alan, wenn nicht schlimmer, und trotzdem mochte ich ihn. Da erging es mir wie Wendy und Bridget und vermutlich jeder anderen Frau, die mit ihm in nähere Berührung kam. Mit einem scheuen Lächeln reichte er mir die Hand.
»Ich war gar nicht sicher, dass Sie kommen würden.«
»Ich hatte es Ihnen doch versprochen.«
»Ja, schon, aber nicht jeder hält, was er verspricht.« Er setzte sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tischs und sah mir forschend ins Gesicht. »Ich hätte Sie nicht erkannt, wenn man mir nicht gesagt hätte, dass Mrs. Ranelagh mich erwartet.«
»Ja, ich habe mich wohl ein wenig verändert.«
»Das kann man sagen.« Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich prüfend an, und mir wurde plötzlich bewusst, dass es den vierzehnjährigen Jungen nicht mehr gab und dies ein fünfunddreißigjähriger Mann mit einer schwierigen Familiengeschichte und einer ausgewiesenen Neigung zur Gewalt war. »Hat das einen bestimmten Grund?«
»Ich hab die Frau damals nicht besonders gemocht«, sagte ich aufrichtig.
»Was war denn an ihr nicht in Ordnung?«
»Viel zu selbstgefällig.« Ich lächelte. »Ich habe beschlossen, mir nichts mehr vormachen zu lassen.«
Er lachte. »Ich wette, da hat Ihr Mann aufgemerkt.«
Ich fragte mich, ob er von Sam und Libby gewusst hatte, oder ob seine Begabung, die Dinge zu durchschauen, seit der Schulzeit noch gewachsen war.
»Es war auf jeden Fall nützlich«, sagte ich und musterte ihn nun meinerseits. »Sie haben sich überhaupt nicht verändert, auch wenn Mrs. Stanhope, die Pfarrersfrau, behauptet, sie hätte Sie nach der Fotografie in der Zeitung nicht erkannt. Sie hofft immer noch, dass ein anderer Michael Percy das Postamt überfallen hat.«
Er strich sich mit der flachen Hand über das kurzgeschorene Haar. »Haben Sie sie aufgeklärt?«
»Das brauchte ich gar nicht. Ich bin sicher, sie weiß es.«
Er seufzte. »Sie war immer sehr nett zu mir. Ich kann mir vorstellen, dass sie total enttäuscht war, als sie hörte, dass ich in den Knast gekommen bin, weil ich eine Frau mit der Pistole geschlagen hab.«
»Das glaube ich nicht. Sie macht sich keine Illusionen über Sie.«
»Wissen Sie, dass sie mir mal vorgeschlagen hat, mich zu adoptieren? Ich hab sie ausgelacht. Da wär ich ja vom Regen in die Traufe
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