SCHLANGENWALD
Stück in Hellblau. Zumindest an den Stellen, an denen der Lack nicht abgeblättert war, ohne Glas in den Fensterrahmen. Auf der Motorhaube prangte eine trompetenförmige Hupe.
Paula kaufte eine Fahrkarte, nachdem sie sich versichert hatte, dass dies der richtige Bus war. Sie lehnte sich auf einer der freien Holzbänke zurück und genoss den Fahrtwind, der über ihr Gesicht strich. Sie fühlte sich gut, weil sie nicht aufgegeben hatte.
Der Wald um sie herum dampfte. Wie auch der Fahrer, dessen Hemd bereits zu dieser frühen Stunde an seinem Körper klebte. Die anderen Fahrgäste schliefen oder unterhielten sich. Paula saugte die Eindrücke in sich auf. Sie hatte vergessen, wie aufregend es war, in ferne Länder zu reisen. Zu sehr war sie in den letzten Jahren mit ihrem Alltag beschäftigt gewesen. Zufrieden streckte sie die Beine von sich und dankte Santo, der ihr diesen Auftrag vermittelt hatte.
Als Paula den Anschlussbus bestieg, war sie überrascht, ein modernes Fahrzeug mit gepolsterten Sitzen und Klimaanlage vorzufinden. Die Fahrweise des Chauffeurs unterschied sich jedoch kaum von jener seines Kollegen im hellblauen Museumsstück. Sie war heilfroh, dass sie nur noch einen Platz mit eingeschränkter Sicht nach draußen bekommen hatte. Denn links von der Straße war ein steiler Abgrund, rechts befand sich dichter Wald. Paula betrachtete lieber die Lehne des Vordersitzes, als mitzubekommen, wie der Bus viel zu schnell über die schmale, löchrige Straße rumpelte. Sie fragte sich, wie hier zwei Fahrzeuge aneinander vorbeikommen sollten, ohne dass eines vom Weg abkam.
2.
Santa Cruz war eine verschlafene Stadt mit einem alten Kirchturm als Wahrzeichen. Die Redaktion des Correo de Santa Cruz lag in einer Seitenstraße in der Nähe des Zentrums. Als Paula eintraf, waren die vier Schreibtische im Büro unbesetzt. Nur der Ventilator an der Decke drehte sich unaufhörlich und sorgte für eine warme Brise. Die Computer surrten vor sich hin, aus dem Radio tönte Salsa-Musik. Aus dem Nebenraum drang Gelächter an Paulas Ohren.
„ Hola, buenos días“, machte sich Paula bemerkbar.
Ein Mann mit einer Zigarette in der Hand erschien im Türrahmen.
„ Hola, was wollen Sie?“, fuhr er sie unfreundlich an und ließ keinen Zweifel daran, dass sie hier störte.
„Lass nur.“ Blanco tauchte hinter ihm auf. „Die Señorita kommt zu mir.“ Entschuldigend fuhr er achselzuckend fort, „wir halten gerade die Redaktionskonferenz ab. Möchten Sie auch einen Kaffee?“
„Nein, lieber ein Glas Mineralwasser.“
Paula fühlte sich nach der langen Busreise wie ausgedörrt. Blanco brachte ihr eine Flasche aus dem Kühlschrank und bot ihr einen Stuhl an.
„Möchten Sie etwas essen? Wir haben gleich an der Ecke ein einfaches Lokal. Das Casado ist das beste weit und breit. In ungefähr einer halben Stunde bin ich mit der Sitzung fertig. Dann könnten wir dorthin gehen.“
Paula willigte ein und saß wenig später in dem angenehm kühlen Lokal, einem für Costa Rica typischen soda, erklärte ihr Blanco. Die hölzernen Stühle waren abgenutzt. Aber auf den Tischen lagen gestärkte weiße Tücher, die einen blitzsauberen Eindruck hinterließen.
Juan Blanco sah besser aus als das letzte Mal beim Empfang, obwohl seine aufgedunsenen Wangen verrieten, dass erhöhter Alkoholkonsum bei ihm nicht die Ausnahme war. Seine braunen Augen waren klar, doch auch heute blickte er Paula nicht ins Gesicht, sondern stierte auf seine Hände. „Was führt Sie zu mir?“, kam er ohne Höflichkeitsfloskeln zur Sache. Das war Paula sehr recht. Sie hatte nur knapp zwei Stunden zur Verfügung. Dann musste sie wieder zum Bus, um die Ferienanlage zu erreichen, bevor die Tore für die Nacht geschlossen wurden.
„Mich haben die Vorkommnisse beim Abendessen ein bisschen irritiert. Was Sie angedeutet haben ebenso wie die Reaktion von Herrn Kandin. Als ich dann noch Ihre Visitenkarte in meiner Jackentasche fand, hatte ich den Eindruck, dass es da noch einige Dinge gibt, die Sie mir gern erzählen möchten.“
Blanco knetete nervös seine dicken Finger.
„Nur um es gleich klarzustellen. Herr Kandin ist ein Kunde meiner Firma. Ich stehe in keinerlei freundschaftlicher Beziehung zu ihm“, klärte Paula den Journalisten auf. Ich wäre nur einmal fast mit ihm im Bett gelandet, ergänzte sie insgeheim. Laut fuhr sie fort: „Er weiß nicht, dass ich hier bin und sollte es auch nicht erfahren. Ich habe den Eindruck, dass er nicht möchte, dass ich mit
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