SCHLANGENWALD
Ihnen in Kontakt trete.“
Blanco nahm einen Schluck vom Rum, den ihm die Kellnerin inzwischen gebracht hatte. Paula leerte ihr Glas Limonade in einem Zug und bestellte ein zweites.
„Hören Sie, das letzte Mal habe ich zu viel Alkohol getrunken und da sage ich oft Dinge, die nicht der Realität entsprechen. Es gibt nichts, was ich Ihnen erzählen könnte.“
„Wieso haben Sie mir das nicht schon gestern am Telefon gesagt?“ Ärger stieg in Paula hoch.
„Weil ich mir dachte, dass Sie nur einen Ausflug nach Santa Cruz unternehmen wollen und vielleicht einen Fremdenführer brauchen.“
Er sah sie nicht an.
„Das ist nicht Ihr Ernst! Dann war mein Ausflug hierher umsonst?“
„Wenn Sie sich irgendwelche Geheimnisse erwartet haben, die Sie von mir erfahren könnten, dann schon.“
Paula erhob sich, legte einen Geldschein für das nicht einmal noch gebrachte Essen auf den Tisch und verließ das Lokal. Sie hätte vor Zorn am liebsten laut gebrüllt. Solch ein Aufwand für nichts! Dabei war sie nach dem gestrigen Telefongespräch mit Blanco sicher gewesen, dass auch er Interesse hatte, mit ihr zu sprechen. Und wozu hatte er ihr die Visitenkarte zugesteckt? Nur weil er besoffen gewesen war? Ihr Rucksack radierte an der Häuserwand entlang.
„Señorita Ender, Señorita Ender!“
Blanco lief schnaufend hinter ihr her.
„Kommen Sie zurück und essen Sie erst mal etwas“, versuchte er sie zu überreden. „Ich möchte ja auch mit Ihnen reden, aber Sie werden bald verstehen, dass für mich sehr viel auf dem Spiel steht.“
Sie gingen schweigend zum Lokal zurück. Blanco, weil ihm die Luft ausgegangen war, Paula, weil ihr Zorn erst abklingen musste.
Die Kellnerin sah verdutzt drein, als sie das Lokal wieder betraten. Sie war gerade mit den Speisen aus der Küche gekommen und keiner war am Tisch gesessen. Sie aßen schweigend. Erst nachdem die Kellnerin den flan – einen Karamellpudding – gebracht hatte, eröffnete Paula das Gespräch. „Warum schreiben Sie keine negativen Artikel mehr über die Ferienanlage?“
Blanco räusperte sich erneut, aber diesmal blickte er ihr direkt in die Augen. „Aus zwei ganz konkreten Gründen. Zum einen sind mir die Informanten abhandengekommen. Zum anderen, weil Herr Kandin mir nahegelegt hat, mit der Hetzkampagne aufzuhören. In meinem Interesse.“
„Nun, den ersten Grund kann ich verstehen. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass Sie sich von Herrn Kandin einschüchtern lassen.“
Blanco schien einen inneren Kampf auszufechten, ob er ihr vertrauen sollte oder nicht. Auf einmal aber redete er wie ein Wasserfall. Er erzählte, dass Kandin eines Tages in seiner Redaktion erschienen war und ihn zunächst freundlich gebeten hatte, mit der Berichterstattung gegen die Anlage aufzuhören. Natürlich hatte ihn Blanco ausgelacht und der Redaktion verwiesen. Da legte Kandin einen Briefumschlag auf den Tisch und meinte, Blanco möge doch zuerst den Inhalt ansehen, bevor er große Reden schwinge. Danach hatte Kandin grinsend die Redaktion verlassen.
„Schon bevor ich den Umschlag öffnete, wusste ich, dass Fotos darin waren und was auf diesen zu sehen war.“
Er seufzte tief. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau, die obendrein noch die Sekretärin des Innenministers war. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was es für unser beider Zukunft bedeutet hätte, wenn das ans Tageslicht gekommen wäre.“
Paula hörte interessiert zu.
„Sie müssen wissen, ich bin kein Alkoholiker, aber all diese Sachen sind im Moment einfach zu viel für mich“, entschuldigte er sich, dann fuhr er fort. „Wie ich Ihnen schon sagte, sind mir auch die Quellen abhandengekommen.“
„Sie meinen die Sekretärin des Innenministers?“
„Nein, wo denken Sie hin. Sicher hätten das alle geglaubt, wenn unser Verhältnis bekannt geworden wäre, aber die Frau schwieg wie ein Grab über ihren Beruf. Außerdem hatten wir viel interessantere Themen als unsere Arbeit.“
Zum ersten Mal sah Paula den Journalisten grinsen. Es fiel ihr allerdings schwer nachzuvollziehen, was die Frau an dem Mann anziehend gefunden haben mochte.
„Es gab einen Flugzeugabsturz, bei dem mehrere Umweltexperten verunglückt sind. Zwei von ihnen versorgten mich regelmäßig mit Studien und Ergebnissen ihrer Arbeit, alles legal und dazu noch von bester Qualität.“
„Sie meinen aber nicht diesen Absturz einer Cessna über dem Urwald vor rund einem Monat?“, unterbrach ihn
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