Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
Erfolgsgeschichte dieses modernen Ansatzes der Medizin begann, der eben darauf beruhte, nachprüfbar, objektivierbar und reproduzierbar zu sein. Also die Ursache der Krankheit zu erkennen, darauf aufbauendTherapien mithilfe von Experimenten zu entwickeln und durch umfassende Studien derenWirksamkeit in großen Zahlen nachzuweisen, damit dieseTherapien dann bei jedem Patienten überall gleich einsetzbar wurden.
In der fachlichen Auseinandersetzung traten an die Stelle von Berichten über Heilungserfolge bei einzelnen Patienten von nun an kontrollierte Studien über dieWirksamkeit einerTherapie, die eineVielzahl von Patienten einschließen. Leider ist die Argumentation mit einzelnen Erfolgsstorys in den Medien noch gang und gäbe, besonders was Methoden der alternativen Medizin betrifft. DerenVerfechter lassen gerne Patienten inTalkshows auftreten, die mit viel Emotion von ihrem Leid berichten und erzählen, dass es ihnen viel besser gehe, seit sie Medikament A einnehmen oder mit Methode B behandelt werden. Doktor C sei Dank. Ist diese Person dann auch noch prominent, bringt sie dieWunderheilung besonders gut rüber, und jeder Sachverstand kapituliert. Das ist unseriös und weckt in den meisten Fällen falsche Hoffnungen, denn der Zuschauer hat keine Chance, die Geschichte zu überprüfen.
Kontrollierte Studien dagegen finden, wenn sie regelkonform gemacht sind, heraus, ob einVerfahren allgemein funktioniert oder eher schadet. Sie sind der neue wissenschaftliche Ansatz, der uns in den letzten 150Jahren so großartige Erfolge beschert hat. Seien wir also froh, dass sich die moderne Medizin durchgesetzt hat, denn sonst würden immer noch Schulkinder an Diphtherie,Wundbrand oder Zahninfektionen sterben. Auch im Rahmen einer Reparaturmedizin wurde immer mehr Erstaunliches möglich, immer größere Operationen brachten nicht nur Linderung, sondern sicherten vielen Patienten das Überleben, und das unter sicherer Narkose, die Schmerzfreiheit ermöglichte. Künstliche Hüftgelenke, Herzklappen und so vieles mehr ermöglichen auch Patienten mit fortgeschrittenen Krankheiten eine gute Lebensqualität. Es handelt sich dabei um gute Medizin, und diese wird in diesem Buch nicht infrage gestellt, sondern gewürdigt.
Wie eine kleine, gut durchgeführte kontrollierte StudieTausenden von Menschen das Leben retten kann, zeigt das historische Beispiel der Skorbut-Behandlung. 1754 bezweifelte der britische Schiffsarzt James Lind, dass Seeleute, die an Skorbut erkrankten, richtig behandelt wurden. Seeleute waren damals oft wochenlang mit dem Schiff unterwegs und mussten von denVorräten an Bord leben. Manchmal war das nichts als Schiffszwieback. Heute nimmt man an, dass es unter diesen extremen Ernährungsbedingungen zu einemVitamin-C-Mangel kam und die Seefahrer deshalb an Skorbut erkrankten. Symptome sind Muskelschwund, hohes Fieber und schwerer Durchfall, oft mitTodesfolge. Damals kannte man noch keinen Stoff namensVitamin C, der unter anderem in Zitrusfrüchten vorkommt. Erst 1921 gab der Biochemiker Sylvester einer Mischung von aus Zitronensaft isolierten Substanzen die BezeichnungVitamin C, die heute als künstlich hergestellteVariante auch unter der Bezeichnung Ascorbinsäure oder E100 häufig als Konservierungsstoff eingesetzt wird.
Zu der Zeit von James Lind gab es 6 verschiedene Behandlungsmethoden von Skorbut: Obstwein, Schwefelsäure, Essig, Muskatnuss, Orangen und Zitronen. Lind suchte 12Seeleute, die alle an denselben Skorbutsymptomen litten, und brachte sie unter gleichen Bedingungen (Unterkunft undVerpflegung) unter. Er teilte diese 12Seeleute in 6Gruppen ein. Jede dieser Zweiergruppen wurde nun je einer der 6 üblichen Behandlungsmethoden unterzogen. Die Behandlung mit Zitrusfrüchten zeigte mit Abstand die besteWirkung. James Lind veröffentlichte seine Entdeckung, woraufhin Sorge getragen wurde, dass auf allen Schiffen Zitronensaft mit an Bord war. Als Folge ging die Zahl der Skorbuterkrankungen rasant zurück.
James Lind führte eine der ersten Studien unter kontrollierten Bedingungen durch. Das heißt, er schuf gleicheVoraussetzungen für alleTeilnehmer: Alle 12Testpersonen hatten die gleichen Symptome, die gleiche Unterbringung und bekamen die gleicheVerpflegung. Sie wurden zum selben Zeitpunkt beobachtet und denVersuchsgruppen nach dem Zufallsprinzip zugeordnet und unterschieden sich einzig darin, dass sie unterschiedlicheTherapien verordnet bekamen, denn die wollte Lind testen.Wenn sich tatsächlich alles so
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