Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
diesem Zweck werden große Umfragen und Messungen gemacht, aus denen heraus Hypothesen darüber entwickelt werden, welche Faktoren Krankheiten auslösen können.
Um eine solche Hypothese dann zu überprüfen, braucht man kontrollierte Studien. Seit den 1930er Jahren werden die mathematischen Methoden der statistischenWahrscheinlichkeitsrechnung auf medizinische Studien angewandt und immer weiter verfeinert. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich dann ein eigenes Fachgebiet an den Universitäten. Dort wurden Institute gegründet, meist unter Namen wie » Institut für Medizinische Statistik « oder » Institut für Biometrie « . Statistik ist also dringend erforderlich, um den Nutzen vonTherapien und Medikamenten zu beurteilen, ganz besonders dann, wenn er nicht augenfällig ist und weit in der Zukunft liegt. Doch dazu muss sie korrekt angewandt werden. Ich möchte Sie nun mit den wichtigsten Grundregeln bekannt machen, die man braucht, um schlechte Medizin, die sehr oft aufgrund eines falschen Umgangs mit Statistik durchgesetzt wird, zu entlarven. Es ist gar nicht so schwierig.
3 Beispiele zeigen, worauf es ankommt:
Die Nationale Fußpilzstudie:Warum Statistik einer genauen Planung bedarf
Der Studien- TÜV :Warum Studie nicht gleich Studie ist
Die Forellenstudie:Warum Statistik die Erfahrung nicht ersetzen kann
Die Nationale Fußpilzstudie
Im Umgang mit großen Zahlenmengen muss man sehr sorgfältig sein, wenn man aussagekräftige Resultate erzielen will. Eine kleine Unbedachtheit, und schon kommt man zu Ergebnissen, die mit derWirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Kleine Fehler können ein Ergebnis sogar ins glatte Gegenteil verkehren, womit die gesamte Studie wertlos wird.
Ein erfundenes Beispiel, bei dem wir gleich auch ein paar typische Fallstricke einbauen, ist die Nationale Fußpilzstudie: Nehmen wir an, Fußpilz wäre eine lebensbedrohliche Erkrankung, und es gelänge trotz größter Anstrengung nicht, die Ursache zu finden. Deshalb konnte bisher auch keine wirkungsvolleTherapie entwickelt werden. Stellen wir uns weiter vor, wir leiteten ein epidemiologisches Universitätsinstitut und bekämen den Auftrag, herauszufinden, ob es Faktoren gibt, die mit dem Auftreten von Fußpilz zusammenhängen, vielleicht sogar Fußpilz auslösen, und ob durchVermeidung dieser Faktoren Fußpilz vorgebeugt werden kann. Die Politik lässt sich von diesem Gedanken begeistern, die Aussicht ist verlockend, sich als Bewahrer derVolksgesundheit im Rahmen eines nationalen Präventionsprogramms gegen Fußpilz medienwirksam darzustellen. Kurz, man finanziert eine große Studie. Sie bekommt auch einen Namen: die Nationale Fußpilzstudie, kurz NaFu-1-Studie.
Zu diesem Zweck wird nun eine typische deutsche Kleinstadt gesucht, zum Beispiel Kleinneuburg in Süddeutschland mit 20 000Einwohnern, aus denen wir eine repräsentative Stichprobe mit 1000Menschen ziehen. Diese repräsentieren den typischen Altersdurchschnitt, die Berufe, das Gewicht und andere Faktoren der gesamten Bevölkerung von Kleinneuburg. Nun schließen wir diejenigen aus, die bereits Fußpilz haben, denn wir wollen ja die Entstehung der Krankheit erforschen. Dann befragen wir dieTeilnehmer über ihre Essgewohnheiten, wie viel sie sich bewegen, wie lange sie fernsehen und vieles mehr. Dann wird jeder körperlich untersucht und Haarfarbe, Größe und Gewicht aufgeschrieben. Nach 5Jahren stellt man fest, dieTeilnehmer, die Fußpilz entwickelt haben, unterscheiden sich durch folgende Faktoren von denen, die keinen Fußpilz bekamen: Sie treiben mehr Sport, sie haben graue Haare und sie essen mehr Fisch.
Die NaFu-1-Studie stellt nun folgende Hypothesen auf:
Graue Haare sind ein Risikofaktor für Fußpilz.
Sport ist ein Risikofaktor für Fußpilz.
Fischessen ist ein Risikofaktor für Fußpilz.
Klingt plausibel, aber bis zur Bestätigung dieserThesen ist es noch ein langerWeg. Zunächst müssen andere Faktoren bedacht werden, die diese Zusammenhänge nur vortäuschen könnten. Bei unserem Fußpilzbeispiel stellen sich folgende Fragen:Vielleicht ist ja nicht die Bewegung an sich das Problem, sondern es liegt daran, dass die Menschen, die mehr Sport treiben, danach in schlecht desinfizierten Umkleideräumen duschen.Vielleicht ist Fußpilz eine Alterserkrankung, und die grauen Haare sind lediglich ein Begleitsymptom von hohem Alter.Vielleicht ist Fußpilz eine genetische Erkrankung, die besonders Menschen aus dem Norden betrifft, die dann in den Süden in unsere
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