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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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typische Kleinstadt gezogen sind und ihre Fischvorliebe behalten haben. Um all dies zu prüfen, mögliche Fehler (wissenschaftlich auch BIAS genannt) auszuschließen und zum Beispiel durch Bildung von Untergruppen herauszurechnen, muss man sehr genaue und sehr lange Messungen durchführen, die Studie vorher genau planen und die Stichprobe nicht verwässern, indem man andereTeilnehmer dazunimmt.
    Die Überprüfung (NaFu-2-Studie)
    Ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen gemeinsam auftretenden Beobachtungen besteht, kann am besten mit einer sogenannten randomisierten prospektiven Interventionsstudie überprüft werden. Klingt ziemlich kompliziert, ist aber nichts anderes als gesunder Menschenverstand. Das ist der Moment, in dem die Nationale FußpilzstudieTeil 2, kurz NaFu-2-Studie, gestartet wird.
    Man zieht eine weitere Stichprobe aus den Einwohnern Kleinneuburgs und unterteilt sie nach dem Losverfahren in 4Gruppen. DieVerteilung wird also nach dem Zufallsprinzip durchgeführt, und das nennt man Randomisierung. Dann wird ein Beobachtungszeitraum bestimmt, der in der Zukunft liegt, und dies nennt man prospektiv. Danach legt man fest, welche Hypothese man mit welcher Maßnahme überprüfen möchte. Eine solche Maßnahme nennt sich Intervention und wird nur bei einer der Zufallsgruppen durchgeführt. Eine weitere Zufallsgruppe dient dabei immer alsVergleichs- oder Kontrollgruppe. Dann formuliert man vor Beginn der Studie, welches Ergebnis man annimmt, denn hinterher ist man immer schlauer.
    Wir haben anhand der NaFu-1-Studie 3Hypothesen entwickelt, die wir nun überprüfen wollen:
    Hypothese 1: Risikofaktor graue Haare
    Annahme: DieVeränderung der Haarfarbe schützt vor Fußpilz.
    Hypothese 2: Risikofaktor Sport
    Annahme: Weniger Sport schützt vor Fußpilz.
    Hypothese 3: Risikofaktor Fischverzehr
    Annahme: Weniger Fisch essen schützt vor Fußpilz.
    Danach legen wir den Beobachtungszeitraum von 5Jahren fest. Das müssen wir, denn sonst könnten wir ja zum Beispiel nach 3,5Jahren die Studie abbrechen, weil wir vielleicht zufällig zu diesem Zeitpunkt ein Ergebnis messen, welches unsere Hypothesen bestätigt. Das ist menschlich, aber nicht wissenschaftlich. In jeder der 3Gruppen führen wir nun eine genau definierte Maßnahme durch, mit der wir jeweils eine unserer Hypothesen beweisen möchten. Die vierte Gruppe lassen wir in Ruhe, sie dient alsVergleichsgruppe. Die Interventionen sehen wie folgt aus:
    In Gruppe1 werden alle grauen Haare gefärbt.
    In Gruppe2 werden alleTeilnehmer mit neuesten Heimkinosystemen und DVD s versorgt mit derVorgabe, 4Stunden amTag fernzusehen (um sie von Sport fernzuhalten).
    In Gruppe3 lernen alleTeilnehmer in einem Kochkurs, ohne Fisch zu kochen.
    Welche Ergebnisse messen wir nun nach 5Jahren?
Die Fußpilzrate ging in allen 4Gruppen zurück, also auch in derVergleichsgruppe.
ImVerhältnis zurVergleichsgruppe hatte das Meiden von Fisch keinen zusätzlichen Effekt. Haarefärben sogar einen etwas geringeren.
Nur die Gruppe mit weniger Sport entwickelte besonders wenig Fußpilz.
    Nun erfolgt die Diskussion der Ergebnisse:
Erklärungsmöglichkeit: Allgemein verbesserte Lebensbedingungen haben zu weniger Fußpilz geführt.
Erklärungsmöglichkeit: Haarefärben ändert nichts am biologischen Alter, und weniger Fisch essen verändert nicht die Gene. Hier zeigt sich, wie wichtigVergleichsgruppen sind. Hätten wir eineVergleichsgruppe vergessen, würden wir nun fälschlicherweise glauben, dass Haarefärben vor Fußpilz schützen würde.
Klare Sache: Sport führt zu Fußpilz. Ein nationales Fußpilzpräventionsprogramm kann gestartet werden, die » Glotze-statt-Sport-Kampagne « . Ein Sponsor, der Heimkinosysteme produziert, finanziert diese Kampagne zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium, dessen Staatssekretär auf großenWerbeflächen dieVerdienste der Bundesregierung im Kampf gegen Fußpilz herausstellt.
    Doch stopp, es lauern weitere Fallstricke. Ein anderer Forscher hat in einer anderen großen Studie festgestellt, dass nur die Sportler besonders häufig Fußpilz bekommen, die alte Umkleideräume benutzen. Er stellt dieThese auf, nicht Sport verursacht Fußpilz, sondern die Benutzung von unhygienischen Umkleideräumen. Nun sehen wir trotz sorgfältig geplanter und hochwertig durchgeführter Studie etwas alt aus.
    Aber vielleicht haben wir ja Glück und haben zusätzlich erfasst, in welchen Sportstätten dieTeilnehmer der Heimkinogruppe vorher trainiert haben.Wenn dann nur jene aus der

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