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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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mitreden«, spöttelte er, klang aber freundlich.
    »Genau, Blauspecht. Wenn du bei uns mitmachen willst, lass ’ne Geschlechtsumwandlung machen«, maulte Vio ihn an.
    Grover grinste: »Wenn ich dann so zickig werde wie du – nee danke«, meinte er und schlenderte davon.
    Vio, nicht gewöhnt, dass ihr jemand Kontra gab, starrte ihm eine Sekunde sprachlos hinterher. Doch dann verdrehte sie die Augen: »Die Typen haben doch echt alle einen an der Waffel. Bin ich froh, wenn ich in drei Jahren hier endlich raus bin und keine von den Nasen mehr sehen muss.«
    Ich zuckte nur mit den Schultern. Im Gegensatz zu Vio fand ich Schule nicht so schlimm. Aber natürlich war die Vorstellung, zu zweit nach Paris zu gehen, viel verlockender. Nur: Drei Jahre waren lang.
    Doch Vio war Feuer und Flamme für ihre Paris-Idee. Sie lehnte sich weit über die Kiosktheke und sagte mit übertrieben französischem Akzent: »Isch möschte einö Croissant – und zwar rapide! Merci.«
    Dabei warf Vio dem Verkäufer einen übertrieben verruchten Blick zu. Dessen rundes Mopsgesicht lief unter seinen spärlichen blonden Haaren rosa an. Vio warfnonchalant einen Euro auf die Theke. Dann nahm sie das Croissant, rupfte es in zwei Hälften und hielt mir die eine energisch hin. »Hier – kleiner Vorgeschmack auf Paris.« In diesem Moment hätte ich Vio umarmen können. Ich biss in die knusprige Croissantspitze.
    »Ob du dich noch an mich erinnerst, wenn du mal eine reiche und berühmte Malerin bist und Ausstellungen auf der ganzen Welt hast?«, sinnierte ich.
    Vio starrte mich einen Moment erstaunt an, dann gab sie mir eine leichte Kopfnuss: »Natürlich, du Dummerchen. Wir bleiben immer Freundinnen!«, sagte sie und witzelte: »Bis dass der Tod uns scheidet.«
    Wir ahnten nicht, wie bald es schon so weit sein würde.

    * * *

    Er legte das Büchlein von dieser Else Lasker-Schüler beiseite und schloss die Augen. Die Worte des Gedichts, das er eben gelesen hatte, tanzten hinter seinen geschlossenen Lidern einen irren Ringelreihen und der Rhythmus der Reime trommelte in seinem Kopf:

    Es brennt der Keim im zitternden Grün
    Und Funken, die aus dem Jenseits sprüh’n
    Umschmeicheln den Sturmwind aus Nordost.
    Als eine Natter kam ich zur Welt
    Und das Böse lodert und steigt und quellt.
    Ich hasse das Leben und dich und euch.
    Durch mein Irrlichtauge verirrt ihr euch in mein Reich.
    Die Schlange, der Teufel vom Paradies, ist in mir auferstanden.
    Und umfängt die Nacht mit grausigen Banden.

    Ja, dachte er, genau so ist es. Er hasste alle Mädchen. Wie sie ständig kicherten und er wusste genau: Sie kicherten über ihn. Vielleicht wegen seines Aussehens oder deswegen, wie er sich kleidete. Aber sie waren so dumm, so ahnungslos. Doch er war klug. Und schnell. Wie damals im Hohlweg. Er war aus den Büschen hervorgesprungen wie ein Wolf, der seine Beute reißt. Und nichts anderes war das Mädchen auf dem Fahrrad gewesen: leichte Beute. Er war nicht verrückt – er war klarer im Kopf als sie alle. Und raffinierter. Niemand hatte ihn im Verdacht.

2. Kapitel

    »Lila, hallo, aufwachen!«
    Ich schreckte hoch und starrte Vio an. Es hatte zum Ende der Pause geläutet und ich hatte es nicht gehört.
    »Ich hab dich gerade gefragt, ob wir uns morgen Nachmittag bei dir treffen wollen – Klamotten probieren für die Schulparty!«
    »Äh ja, klar«, erwiderte ich zerstreut.
    Seit Tagen gab es in unserem Gymnasium kein anderes Thema mehr. Die ganze Woche waren viele Freiwillige nach der Schule länger geblieben, um die Aula für die Party zu schmücken und alles zu organisieren. Lautsprecherboxen wurden angeschlossen und auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft – mit dem Resultat, dass vormittags aus der offenen Aula-Tür plötzlich in voller Dezibelstärke der Klassiker »I Love Rock’n Roll« durch den Flur brüllte. Unsere Geschichtsreferendarin, mitten in einem Vortrag über die Widerstandsbewegung Georg Elsers, war kurz aus dem Konzept gebracht worden.
    So wie ich jetzt. Allerdings hatte das nichts mit dem Fest zu tun, sondern mit Till. Till aus der Elften mit den braunen Augen und den schwarzen Haaren. Sein Was-kostet-die-Welt-Grinsen, wenn er morgens am Schultor den Motorradhelm abnahm und dann lässig über den Pausenhof schlenderte. Zwei Meter an mir vorbei, ohne mich wahrzunehmen. So wie eben gerade.
    Vio musterte mich wie ein Wissenschaftler sein Versuchskaninchen: »Was ist los, hast du ’ne Erscheinung gehabt?«
    Ich graste hastig meinen dürftigen

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